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Seit Jänner führt Regierungskommissär die Amtsgeschäfte. | Ermittlungen gegen Bürgermeister | Johann Straner. | "Liste Hans" trotz allem mit besten Chancen auf die Mehrheit.
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Fohnsdorf. Eines muss man Johann - "Hans" - Straner zugestehen: Der Mann ist der Prototyp des volksnahen Bürgermeisters. Wenn er in seiner dunklen VW-Limousine durch das spätsommerliche Fohnsdorf fährt, zaubert sein Gruß ein Lächeln auf die Gesichter.
Nur eine Sache passt nicht ganz in dieses idyllische Bild: Johann Straner ist nicht Bürgermeister von Fohnsdorf. Nicht mehr. Die 8000-Seelen-Gemeinde in der Obersteiermark hat 57 Millionen Euro Schulden, im vergangenen Jänner ist der Gemeinderat der Auflösung durch das Land zuvorgekommen und hat sich selbst aufgelöst. Seither führt ein Regierungskommissär Straners Geschäfte. Am Sonntag wählen die Fohnsdorfer einen neuen Gemeinderat, dann könnte der 52-Jährige wieder den Posten zurückbekommen, den er seit 1998 innehatte.
Und das, obwohl die Vorwürfe gegen ihn mannigfaltig sind: Nicht nur die Opposition macht den langjährigen SPÖ-Politiker, der mittlerweile seine Parteimitgliedschaft ruhend gestellt hat, für die finanzielle Misere Fohnsdorfs verantwortlich. Auch der Rechnungshof (RH) lässt in seinem Bericht vom Juni kein gutes Haar an Straner. Was sein Leib- und Magenprojket, die Therme "Aqualux" betrifft, heißt es in dem Bericht schlicht: "Die im Jahr 2006 getroffene Bau- beziehungsweise Betriebsentscheidung für die Therme Fohnsdorf war falsch." Diese Ansicht begründen die Prüfer unter anderem damit, dass die Therme aufgrund viel zu optimistischer Besucherschätzungen errichtet worden sei. Weitere Vorwürfe des RH betreffen Ämterkumulierung und die Auslagerung von Gemeindeschulden.
"Der Bürgermeister ohne Amt fühlt sich ungerecht behandelt. Für Straner ist die Therme, in der er die "Wiener Zeitung" zum Gespräch empfängt, "das touristische Leitprojekt" in der Gegend. Die Prüfer aus Wien hätten viele Dinge "absolut aus dem Zusammenhang gerissen". Die ÖVP habe das Thermenprojekt "von der Stunde null an madig gemacht". Auch, dass er laut RH den Gemeinderat vor vollendete Tatsachen gestellt haben soll, sieht er nicht so eng: Immerhin sei die Finanzierung der Therme 2005 im Gemeinderat beschlossen worden. Dass er 2009 im Sommer eigenmächtig 200.000 Euro vom Gemeindekonto an die Therme überwiesen hat, "war sicher ein Fehler", meint er. Aber sonst, so findet Straner, hat er alles richtig gemacht: Immerhin habe er die Abwanderung aus Fohnsdorf halbieren können und "auch finanziell stehen wir nicht so schlecht da".
Staatsanwalt: Expertise bis Jahresende
Dass die Staatsanwaltschaft Leoben seit mittlerweile zwei Jahren wegen Missbrauchs der Amtsgewalt und Untreue gegen ihn ermittelt, lässt ihn beinahe kalt: "Wenn ich so ein böser Bube wäre, hätte man mich doch zumindest einmal einvernehmen müssen", sagt er. Die Staatsanwaltschaft hat jetzt jedenfalls einen Gutachter mit der Materie betraut, der frühestens zu Jahresende eine Expertise abgeben wird. Daneben hat auch der Kontrollausschuss des Landes Steiermark einen Anwalt damit beauftragt, zivilrechtliche Schadenersatzforderungen gegen Straner zu prüfen. Allerdings sieht der RH auch das Land in der Verantwortung: In dem Bericht wird unter anderem bekrittelt, dass zwei Mal trotz Bedenken Subventionen zugeschossen wurden, außerdem hätte die steirische Gemeindeaufsicht nicht erst 2009, sondern schon viel früher prüfen müssen.
Das sieht auch Ingrid Felfer (ÖVP) so. Sie war seit 2005 das "schwarze Schaf" im bis dahin rein SPÖ-besetzten Gemeindevorstand und hat mehrmals in Graz um Überprüfung der Gemeinde gebeten. "Aber es hat immer nur geheißen, es gebe zu wenige Mitarbeiter oder dass Voves dem nicht zustimmt." Davon will man im Büro von Landeshauptmann Franz Voves nichts wissen. Mit dem Regierungskommissär habe man ohnehin das schärfste Instrument eingesetzt, ansonsten sei alles gesagt worden.
Straner tritt trotz Voves-Veto an
Voves hat Straner auch nach Bekanntwerden der ersten Fohnsdorfer Malversationen noch lange den Rücken gestärkt. Erst 2010 konnte man sich dazu durchringen, einen Kommissär einzusetzen, im August forderte Voves seinen Parteifreund dann zu einem Kandidaturverzicht auf. Straner ist das ziemlich egal. Er tritt nun mit einer eigenen "Liste Hans" zur Wahl am Sonntag an - der erste Listenplatz, jener der SPÖ, bleibt leer. Denn die gesamte Ortsmannschaft steht auf Straners Seite.
Und nicht nur die. "Er hat so viel gemacht für Fohnsdorf, außerdem ist er ein lieber Mensch", sagt Sabine Wagner, die in der Therme an der Kassa steht. Fehler mache nun einmal jeder - aber "es werden ja auch die anderen dabei gewesen sein", findet sie. Die ÖVP brauche nun einmal einen Prügelknaben.
Das sieht auch ein Pensionist so: "Über ihn schimpfen sie, aber sie sind ja mit ihm an einem Tisch gesessen." Der Mann genießt die Nachmittagssonne vor einer der frisch renovierten alten Bergarbeiterhäuser, die in Fohnsdorf überall zu finden sind. Bunt gestrichen, mit Blumen in den Vorgärten, vermitteln sie ein Gefühl von Aufgeräumtheit, Wohlstand - und ein wenig Disneyland. Ortsbildverschönerung für den Tourismus, nennt Straner das. Auch hier hat der RH zu hohe Zahlungen im Zusammenhang mit dem Abriss solcher Häuser beklagt.
Apropos Tourismus: In Fohnsdorf gibt es derzeit nur 200 Gästebetten, an die Therme ist kein Hotel angeschlossen. Für Regierungskommissär Friedrich Zach ist das mit ein Problem der Gemeinde. Um den Betrieb der Therme aufrechterhalten zu können, brauche es ein zusätzliches Projekt und Investoren. Zur Sanierung Fohnsdorfs hat er bisher unter anderem eine Gebührenerhöhung in die Wege geleitet und Ermessensausgaben, etwa auch beim Personal, eingespart. Um den Ort am Leben zu erhalten, seien aber auch Mittel vom Land nötig. Der RH geht von mehr als 13 Millionen bis 2013 aus. Doch Voves hat bereits angekündigt: Mehr als die normalen Bedarfszuweisungen wird es nicht geben.
"Wahlspruch klingtwie eine Drohung"
Ob Fohnsdorf nach der Wahl zur Ruhe kommt, ist also schwer abzuschätzen. Klar ist, dass Zach abziehen wird, wenn der neue Bürgermeister angelobt ist. Und der wird wahrscheinlich wieder Straner heißen. Selbst die Opposition rechnet mit 60 bis 70 Prozent der Stimmen für den Altbürgermeister. Für Ex-ÖVP-Vizebürgermeisterin Felfer keine angenehme Option. "Wenn Straner sagt, er will den erfolgreichen Weg fortsetzen, dann klingt das für mich wie eine Drohung", sagt sie. Daher hat sie sich vorerst aus der Politik zurückgezogen.
Die finanzielle Situation der Gemeinde ist auch für FPÖ und Grüne im Wahlkampf ein gefundenes Fressen. Lediglich bei der KPÖ gibt man sich versöhnlich: Wichtig sei, dass die Zweidrittel-Mehrheit der (bisherigen) SPÖ falle, damit die Parteien zusammenarbeiten - "denn das finanzielle Desaster kann man nur gemeinsam bewältigen".