So schnell können sich Einschätzungen ändern. Beim Gerangel um die Listenplätze der Parteien für Nationalratswahlen wird immer wieder beklagt, dass der freie Abgeordnete nichts zählt. Als Vorbild für eine personenbezogene Wahl wird dann immer die Bundespräsidentenwahl genannt. Kandidaten sollten doch im Vordergrund stehen, nicht die Parteien und ihr parlamentarischer Klubzwang.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Nun schaut es dürftig aus mit Konkurrenten für den amtierenden und offenkundig geschätzten Bundespräsidenten Heinz Fischer. Die Volkspartei wird wohl - nachdem Erwin Pröll auf eine Kandidatur verzichtete - abwinken, die Grünen ebenso. Die Freiheitlichen werden diese Wahlniederlage vermeiden wollen, das BZÖ hat überhaupt andere Probleme.
Flugs taucht nun die Überlegung auf, doch auf eine Volkswahl des Präsidenten-Amtes zu verzichten, denn mit einem Kandidaten sei es eh nur eine Abstimmung. Das könne die Bundesversammlung (also Nationalrats- und Bundesratsabgeordnete) auch, und dazu noch billiger.
Ein fataler Denkfehler. Erstens wäre es kurios, die einzige Personenwahl auf Bundesebene abzuschaffen, während sonst - wenigstens über die Vorzugsstimmen - das demokratische Stimmrecht über die jeweilige Parteiräson gestellt werden soll.
Zweitens ist dies nicht die letzte Bundespräsidentenwahl. Bei der nächsten werden wieder mehrere Personen zur Auswahl stehen - es gibt nur zwei Amtsperioden für einen Bundespräsidenten. Wenn dann die Bundesversammlung entscheiden würde, ginge eine parteipolitische Geschäftemacherei los, das Präsidentenamt würde mit der Tagespolitik "junktimiert". So nach dem Motto: Tausche Geld gegen den ORF-Finanzdirektor.
Dafür ist das Amt des Bundespräsidenten - so weich es in der Realverfassung auch sein mag - aber zu schade. Die direkte Wahl ist der feste moralische Grund, auf dem der Bundespräsident (für das nächste Mal: die Bundespräsidentin?) steht.
Dieses Mal dürfen wir wenigstens auf eines gespannt sein: Heinz Fischer wird seinen Wahlkampf teilweise im Internet und deren "social communities" führen. Immerhin ein Vorbild für kommende Wahlgänge.