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Wahlen zeigten in arabischer Welt Grenzen des Internets auf

Von Klaus Huhold

Politik

Das Internet mobilisierte bei der Revolution, aber es bringt kaum Stimmen.


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Kairo/Tunis. Khaled Said war eine der Symbolfiguren der Revolution in Ägypten. Dabei war der Blogger, der die Willkür der Behörden geißelte, schon tot, als der Aufstand gegen Langzeitherrscher Hosni Mubarak Anfang dieses Jahres begann. Im Juni 2010 hatten in Alexandria Polizisten den 28-Jährigen aus einem Internetcafé gezerrt, seinen Kopf gegen ein Eisengitter geschlagen und weiter auf Said eingetreten, als dieser schon bewusstlos am Boden lag. "Wir alle sind Khaled Said" nannte sich daraufhin eine Bewegung, die bald hunderttausende Unterstützer auf ihrer Facebook-Seite zählte. Sie mobilisierte über das Internet zu einer großen Protestaktion am 25. Jänner 2011. Die Demonstration leitete das Ende des Mubarak-Regimes ein.

Das Internet war in Ägypten, wie auch in Tunesien, das Leitmedium der Aufständischen, hier hatte sich eine kritische Subkultur gebildet. Und es eignete sich - gemeinsam mit Handy-Nachrichten - bestens zur Mobilisierung. Das zeigen auch die jüngsten Ereignisse. In Kairo demonstrierten am Freitag erneut tausende Ägypter, nachdem auf YouTube ein Video aufgetaucht war, das zeigt, wie Polizisten eine Frau verprügeln und ihr einen Teil der Kleidung vom Leib reißen.

Netzwerke und persönliche Kontakte entscheiden Wahl

Mittlerweile hat in Tunesien eine Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung stattgefunden - klarer Sieger war die religiöse Ennahda-Partei. Und auch in Ägypten fanden schon die ersten Etappen der Parlamentswahl statt, wobei sich auch hier schon die Muslimbrüder als stärkste Partei herauskristallisieren, gefolgt von den fundamentalistischen Salafisten. War das Internet noch das Hauptmedium der Revolution, spielte es dann im Wahlkampf kaum eine Rolle. Viel wichtiger waren Fernsehen und persönlicher Kontakt zu den Wählern. Und dabei sind die religiösen Kräfte klar im Vorteil: Sie haben große Netzwerke, bieten teilweise medizinische Versorgung an oder haben zum Opferfest Schlachttiere verschenkt. Über das Internet können Parteien zwar die städtische Mittelschicht erreichen, doch die ärmere Bevölkerung hat - vor allem auf dem Land - nicht einmal Computer. Zudem treten die früheren Revolutionäre nicht als einheitliche Bewegung auf, sondern sind in viele Gruppen zersplittert.

Viele Internet-Aktivisten meiden aber ohnehin die Parteipolitik. Stattdessen treten sie als Korrektiv bei wiederkehrenden autoritären Tendenzen in ihrem Land auf. In Ägypten gibt es noch immer viele Blogger, die sich mit den Machthabern, also derzeit mit dem herrschenden Militärrat, anlegen. Sie kritisieren, dass Gefolgsleute von Mubarak noch immer hohe Positionen einnehmen und in den Gefängnissen weiterhin gefoltert wird. Das Internet bleibt das Medium, in dem viele Regimekritiker ihrer Empörung Ausdruck verleihen. Der Militärrat reagiert hart, ständig landen Blogger im Gefängnis. Die Generäle wissen, dass es junge Aktivisten waren, von denen Mubaraks Sturz ausging. Gleichzeitig erreichen die Blogger aber einen Großteil der Bevölkerung nicht.