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Wahlentscheidung in Etappen

Von Martyna Czarnowska

Politik

Vor dem Votum über den polnischen Präsidenten zeichnet sich ein zweiter Durchgang ab.


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Warschau. Mittlerweile ist Ruhe eingekehrt, die verordnete Ruhe vor der Wahl. Am Tag vor dem Urnengang müssen die Parteien in Polen ihre Kampagnen einstellen. Doch werden diese schon bald wieder aufgenommen werden. Denn zum einen zeichnet sich ab, dass bei der Präsidentenwahl am Sonntag noch keine Entscheidung fällt und ein zweiter Durchgang nötig wird. Zum anderen aber gilt das Votum als Test für die Parlamentswahl, die bereits im Herbst ansteht.

Beides könnte der regierenden Bürgerplattform (PO) Grund zur Sorge liefern. Zwar gilt als wahrscheinlich, dass der aus ihren Reihen stammende amtierende Präsident auch in den kommenden fünf Jahren an der Spitze des Staates stehen wird. Doch Bronislaw Komorowskis Popularität ist laut Umfragen in den vergangenen Monaten deutlich gesunken. Demnach hatten sich zu Jahresanfang, als der 62-Jährige seine erneute Kandidatur bekanntgab, mehr als die Hälfte der Polen für Komorowski ausgesprochen. Zuletzt aber tat das nur etwas mehr als ein Drittel der Befragten. Das liegt nur leicht über den Umfragewerten, auf die Premierministerin Ewa Kopacz mit ihrer Bürgerplattform kommt.

Im Gegenzug holte der Bewerber der stärksten Oppositionspartei auf. Jaroslaw Kaczynski, Vorsitzender der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte den 42-jährigen Politiker Andrzej Duda für die Kandidatur aus dem EU-Parlament geholt. Vor fünf Jahren noch stellte sich Kaczynski selbst der Wahl, kurz nachdem sein Zwillingsbruder und der Vorgänger Komorowskis im Präsidentenamt, Lech Kaczynski, bei einem Flugzeugabsturz umgekommen war.

So wird der - absehbare - zweite Durchgang am 24. Mai einmal mehr zu einem Ringen zweier Gruppierungen, welches die polnische Politik seit Jahren prägt. Und der Zweikampf zwischen PO und PiS, die beide ihren Ursprung im Lager der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc haben, wird auch bei der Parlamentswahl fortgesetzt.

Linke Gruppierungen an den Rand gedrängt

Während der Präsidentschaftskampagne ist ihnen aber auf der rechten Seite des politischen Spektrums neue Konkurrenz erwachsen, die zwar keine ernsthafte Gefährdung darstellt, aber bei den Wahlempfehlungen für die zweite Runde des Votums eine Rolle spielen könnte. Denn laut Umfragen würde immerhin jeder zehnte Pole dem Rockmusiker Pawel Kukiz seine Stimme geben. Der 51-Jährige tritt als Systemkritiker auf, der das Mehrheitswahlrecht einführen und das Land aufrüsten möchte. Zuspruch, wenn auch geringeren, bekommt ebenfalls der konservative Exzentriker Janusz Korwin-Mikke, der als EU-Parlamentarier seine Auftritte in Brüssel und Straßburg für Tiraden gegen die Europäische Union nutzt.

Insgesamt finden sich elf Namen auf dem Wahlzettel, darunter nur ein weiblicher. Die 36-jährige Historikerin Magdalena Ogorek tritt für das Bündnis der Linksdemokraten (SLD) an. Doch wird ihr Stimmenanteil laut Prognosen unter der Fünf-Prozent-Schwelle liegen: Das ist jene Hürde, die Parteien für einen Einzug ins Parlament überwinden müssen. Ähnlich dürfte es dem Unternehmer Janusz Palikot ergehen, der eine linke Partei nach sich benannt hat. Würden sich diese vorhergesagten Ergebnisse bei der Parlamentswahl wiederholen, würde das bedeuten, dass im künftigen Abgeordnetenhaus linksgerichtete Gruppierungen so gut wie gar nicht mehr vertreten wären.