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Wahlentscheidung vor der Wahl

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Parteimitglieder kürten Kandidaten für Amt des polnischen Präsidenten. | Regierungs- fraktion liegt voran. | Warschau. Es hätte eine große Show werden sollen. Mit Pomp, Musik und Schick, unter Beteiligung des polnischen Premiers und der Oberbürgermeisterin von Warschau. In der Aula der Technischen Universität wollten Donald Tusk und Hanna Gronkiewicz-Waltz erstmals das Ergebnis der parteiinternen Vorwahl bekannt geben, in der der Kandidat der rechtsliberalen Bürgerplattform (PO) für die Präsidentenwahl festgelegt worden war. Bis dahin, bis Samstag, war Stillschweigen vereinbart.


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Doch das Resultat des Votums ist schon am Freitag durchgesickert. Wie die Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" unter Berufung auf "glaubwürdige Quellen" aus der Regierungspartei berichtete, machte Sejmmarschall Bronislaw Komorowski das Rennen. Demnach würde der Vorsitzende des Parlaments und nicht Außenminister Radoslaw Sikorski für Tusks Bürgerplattform im Herbst zur Wahl des polnischen Staatschefs antreten.

Nur jeder Dritte votierte

Der Ministerpräsident selbst hat die Vorwahl angeordnet, nachdem er angekündigt hatte, nicht persönlich kandidieren zu wollen. Und so bekamen erstmals die Parteimitglieder die Gelegenheit, den Kandidaten zu küren. Allerdings hielt sich ihre Begeisterung darüber in Grenzen - nur jeder dritte beteiligte sich an dem Votum. An die 10.000 Menschen gaben ihre Stimme per Post oder im Internet ab.

Laut Umfragen jedenfalls würde die PO - egal mit welchem Kandidaten - bei der Präsidentenwahl den ersten Platz erreichen. Für sie würden mehr Menschen stimmen als für den amtierenden und abermals antretenden Staatschef Lech Kaczynski von der Rechtspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS).

Sollte der PO-Anwärter gewinnen, könnte sich dies auch positiv auf die Regierungsarbeit auswirken. Zwar genießt der polnische Präsident nur eingeschränkte Macht, doch kann er mit seinem Vetorecht etliche Vorhaben der Regierung behindern. Das hatte nicht nur innen- sondern auch europapolitische Auswirkungen. So hat Kaczynski beispielsweise die Ratifizierung des Lissaboner Vertrags verzögert, indem er ihn nicht unterschrieb. Auch bei der künftigen Einführung des Euro gingen die Meinungen auseinander: Die Regierung warb dafür, der Präsident dagegen.

Zwillinge an der Macht

Vor fünf Jahren noch ist Donald Tusk selbst in der Präsidentschaftswahl angetreten. Er hat damals in der zweiten Runde gegen Lech Kaczynski verloren. Wenige Wochen zuvor hatte Recht und Gerechtigkeit, die Partei mit Lech und Jaroslaw Kaczynski an der Spitze, die Parlamentswahlen gewonnen. Kurze Zeit später wachten die Polen in einem Land auf, in dem die Ämter des Premiers und des Präsidenten Zwillingsbrüder bekleideten. Mittlerweile ist PiS in der Opposition.