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Wählerinteresse vs. Generationengerechtigkeit

Von Von Walter Hämmerle

Analysen

Das Parlament soll also das letzte Wort bei der Anpassung des Pensionssystems an geänderte volkswirtschaftliche Realitäten haben. So will es nun zumindest die SPÖ. Dagegen wäre auf den ersten Blick eigentlich wenig zu sagen - außer, dass die SPÖ in Person ihres Vorsitzenden und Bundeskanzlers einer anders lautenden Einigung mit dem Koalitionspartner erst am Donnerstag ihre Zustimmung gegeben hat.


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Natürlich spricht diese Vorgehensweise Bände über die Situation in der SPÖ im Allgemeinen und die Stellung von Alfred Gusenbauer im Besonderen. Bis vor kurzem gehörte es in der österreichischen Sozialdemokratie zur absoluten Ausnahme, dass der

eigene Vorsitzende und Bundeskanzler von den Gremien desavouiert wird. In den letzten Monaten scheint das jedoch zur Gewohnheit geworden zu sein.

Die SPÖ sollte sich, ihrem Vorsitzenden und der Öffentlichkeit demnächst reinen Wein über die politischen Konsequenzen aus dieser unmöglichen Situation einschenken. Was diese für die Koalition bedeutet, wird demnächst wohl die ÖVP für sich klären.

Aber zurück zum inhaltlichen Aspekt des jüngsten Koalitionsdisputs. Das Parlament - und nicht wie von SPÖ und ÖVP ursprünglich paktiert Sozial- und Wirtschaftsminister per Verordnung - soll nun die unbeliebte Pensionsautomatik umsetzen müssen.

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, würde man vermuten: Immerhin ist der Nationalrat im Namen des Volkes der Gesetzgeber der Republik. Und er muss bei sehr viel belangloseren Materien seinen Sanktus geben - warum also nicht auch bei einem so einschneidenden Thema wie etwaigen Verschärfungen des Pensionssystems?

Die Antwort darauf ist politisch so einleuchtend wie demokratisch verstörend: In Sachen Pensionen ist in Österreich der Verdacht wohlbegründet, dass die Volksvertreter Wählerinteressen vor Generationengerechtigkeit stellen.

Eine automatische Anpassung an geänderte Realitäten hätte die Parteien von der politischen Bürde solcher Entscheidungen befreien sollen. Das spricht nicht für Österreichs Parteien. Warum es trotzdem sinnvoll gewesen wäre, zeigt wohl der jetzige Rückzieher der SPÖ am besten.

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