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Wahljahr 2012 oder 2013?

Von Norbert Leser

Gastkommentare
Norbert Leser ist emeritierter Professor für Sozialphilosophie und Präsident des Universitätszentrums für Friedensforschung in Wien

Die beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP klammern sich an die Macht - dabei könnte eine Änderung der Verhältnisse heilende Wirkung haben.


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Sollten sich die Gerüchte, die schon das heurige Jahr 2012 und nicht erst programmgemäß 2013 als das Jahr der nächsten Nationalratswahl annehmen, tatsächlich bestätigen, dann würde dies der erklärten Absicht der Bundesregierung, möglichst viel Zeit für die Erfüllung des Regierungsprogramms zu brauchen und daher die Legislaturperiode auf fünf Jahre verlängern zu müssen, widersprechen. Und es wäre ein Beleg dafür, dass diese überfallsartig durchgeführte Verlängerung nur ein Vorwand war, um möglichst lange an der Macht zu bleiben.

Dieses Bedürfnis ist zwar nach wie vor vorhanden, es könnte aber sein, dass sich die Erkenntnis Geltung verschafft, dass die Wahrscheinlichkeit, bei der nächsten Wahl unter die notwendige einfache Mehrheit für die beiden Regierungsparteien zu fallen, mit dem Ablauf der Zeit größer und nicht kleiner wird. Sollte es schon heuer zu erneuten Nationalratswahlen kommen, wäre dies ein Zeichen dafür, dass sich die bestehende Regierungskoalition von einer Verlegenheitslösung zur anderen dahinschleppt, ja im Grunde als Ganze eine einzige Verlegenheit ist.

In Wirklichkeit sollten die beiden von Großparteien zu Mittelparteien geschrumpften Regierungsparteien das Zerbrechen ihrer Koalition nicht fürchten, sondern so oder so hinnehmen, ja vielleicht sogar selbst herbeiführen.

Das Hauptaugenmerk, das noch immer für diese Koalition von SPÖ und ÖVP angeführt wird, dass nämlich nur eine Koalition auf breiter Basis imstande sei, die drängenden Probleme unseres Staatswesens im Einvernehmen zu lösen, ist durch das magere Ergebnis dieser Regierungskoalition nicht bestätigt, sondern im Gegenteil sogar widerlegt worden.

Im Grunde genommen könnte der österreichischen Demokratie gar nichts Besseres passieren als eine Konstellation, in der eine der beiden Regierungsparteien in die Opposition gehen muss - die eine für die Demokratie genau so wichtige und legitime Funktion und Position ist wie die Regierung.

Wenn sich weder Rot-Grün noch Schwarz-Blau als Alternativen zur gegenwärtigen Situation ausgingen, dann käme eine der beiden Parteien, die jetzt die Bundesregierung bilden, in die Lage, eine Minderheitsregierung zu bilden, die sich wechselnde Mehrheiten von Fall zu Fall suchen muss. Dies wäre nicht nur kein Unglück, sondern könnte sogar eine Gehschule für die bisher an Alternativen arme österreichische Demokratie sein, um sie in Ergänzung durch eine Reform des Wahlrechts den europäischen Standards anzunähern.

Man darf also gespannt sein, worauf es die jetzigen Regierungsparteien ankommen lassen und wie sie auf einen drohenden Machtverlust reagieren werden.

Die beiden nächsten Jahre könnten in der Geschichte der österreichischen Demokratie zu wahren Schlüssel- und Erneuerungsjahren werden.

Die bloße Fortsetzung des Bestehens ist jedenfalls unwahrscheinlich geworden - was man aber nicht als Gefahr, sondern als Chance sehen sollte.