Zum Hauptinhalt springen

Wahlkampf-Beginn: Politische Hitzewallungen

Von Markus Kauffmann, Berlin

Politik

Wirklich verlieren können in diesem Wahlkampf, der durch Bundespräsident Horst Köhler am Freitag um 20.15 Uhr höchst persönlich eröffnet wurde, nur die Unionsparteien. Wie die "Wiener Zeitung" bereits mutmaßte, sinken die Umfragewerte für CDU und CSU schleichend aber stetig: Lag sie Ende Mai noch bei 52 Prozent, so brachte das am Freitag veröffentlichte Politbarometer (ZDF) nur noch 44 Prozent für sie auf die Waagschale.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Talfahrt der Union nützt indes nicht der SPD, von der die Wähler offenbar nachhaltig enttäuscht wurden. Sie kommt über die 30 Prozent nicht hinaus. Links Wasser predigen und rechts Wein saufen, das wurde am Ende selbst den Anhängern der Sozialdemokratie zu viel. Kanzler Schröder scheiterte nicht an der Opposition, sondern am eigenen Gefolge: Als sich Don Quijote umsah, merkte er, dass seine Truppen verschwunden waren. Ein paar Tröpfchen des vergossenen Rotweines können derzeit die Grünen auffangen. Die Zuwächse in der Wählergunst von 1 Prozent bewegen sich jedoch praktisch in der statistischen Schwankungsbreite.

Die FDP scheint weiterhin stabil auf ihren 7 Prozent zu verharren. Für die Parteiführung offenbar ein Hinweis, keinen Fußbreit vom dünnen Seil zu wagen. Die "Proteste" gegen die von der Union angekündigte Erhöhung der Mehrwertsteuer glichen denn auch mehr einem Hüsteln hinter vorgehaltener Hand.

Das linke Populisten-Duo Lafontaine-Gysi macht derzeit den großen Abstauber: Aus dem Stand zehn Prozent gesamtdeutsch, im Osten sogar stärkste Partei vor der CDU. Das Spielchen der Sozialdemokratie, vor den Wahlen alle heiligen Eide zu schwören, man wolle "mit solchen Parteien" nicht koalieren, entlockt Kennern kein müdes Lächeln mehr: Nach Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin glaubt ihr das keiner mehr. Eine solche Koalition könnte für einen Vizekanzler Lafontaine in einer rot-grün-roten Koalition sogar der Triumph seines Lebens werden. Denn seinen Intimfeind Schröder hätte er dann jedenfalls in die Wüste getrieben.

Zweikampf Merkel-Lafontaine

Der Phönix Union startete mit etwas Lehm an den Beinen: Erst die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die ja alles andere als populär ist, dann die absolut blödsinnige Frage, ob es einen eigenen Ost-Wahlkampf der CDU geben werde. Solche Streufeuer dienen ausschließlich dazu, ein Drittel der Interviewzeit an Abwehrgesten und Beteuerungen verschwenden zu müssen.

Von der Klärung politischer Positionen, von einer argumentativen Auseinandersetzung, von denen die SPD-Spitze sprach, ist dieser Wahlkampf im Wickelpolster noch weit entfernt.

Aber diese SPD-Taktik aus "Klein-Kleckersdorf" geht nicht auf: Keiner fragt mehr nach Schröder oder Parteichef "Münte". Wäre im Prinzip sogar eine komfortable Position, wenn man "im Leo" warten kann, bis alle vorbeigerannt sind. Wäre, wäre - wenn nicht diese neue Linkspartei den Rahm abschöpfte.

Deshalb muss jetzt doch der Dreckkübel her. Als erster griff heute der Berliner SPD-Innensenator **Ehrhart Körting mit beiden Händen tief hinein: Er befürchte eine Verschärfung der Sicherheitslage im Falle eines Wahlsiegs der Union. Diese werde dem amerikanischen Druck auf Dauer nicht widerstehen, sich in den "Irak-Konflikt" (was immer das sein mag) hineinziehen zu lassen.

Schnell die Terror-Angst ausgenützt. Und damit vollzieht Körting die taktische Vorgabe Müntefering, der bereits bei der Misstrauensdebatte angekündigt hatte, das Thema Irak im Wahlkampf breitzutreten, obwohl eine deutsche Militärintervention in dieser Region derzeit überhaupt nicht zur Debatte steht.