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Parteien setzen zum Endspurt bei den Kampagnen an. | 48-Stunden-Keilen um Unentschlossene bricht Tabu. | Berlin. (afp) Deutschland ist im Ausnahmezustand, die Parteien schrecken vor nichts mehr zurück. Der voraussichtlich knappe Ausgang der Bundestagswahl lässt die Fraktionen mit einem ungeschriebenen Gesetz brechen: Statt wie sonst am Wahlwochenende mit ihren Kampagnen stillzuhalten, wollen sie bis zur Schließung der Wahllokale am Sonntag um 17.59 Uhr um jede einzelne Wählerstimme kämpfen.
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Mit zahlreichen Sonderaktionen sollen die noch unentschlossenen Wähler überzeugt werden - das ist laut Meinungsumfragen ein Viertel bis ein Drittel der Wählerschaft.
Im Endspurt noch einmal alles geben
Vor dem Urnengang wollten die Spitzenleute der Parteien auf zentralen Veranstaltungen noch einmal für sich werben. Die Wahlkämpfer werden in Fußgängerzonen, vor Supermärkten, Beisln und Discotheken noch einmal den direkten Kontakt mit dem Wahlvolk suchen und Flugzettel, Blumen und Kulis verteilen. Für den Endspurt wurden die Wahlaussagen auf neuen Flugblättern zugespitzt.
Am Sonntag sollen die Bürger mit "Mund-zu-Mund-Propaganda" an die Stimmabgabe erinnert werden. Auch Fahrdienste wollen viele anbieten. Dies aber sei mehr ein Service als direkter Wahlkampf, betont die SPD. Tabu bleiben allein die Wahllokale, hier gibt es eine gesetzlich vorgeschriebene Sperrzone für den Wahlkampf.
Die Union kündigte schon am vergangenen Wochenende einen Rund-um-die-Uhr-Wahlkampf bis zur letzten Minute an. Mit medienwirksamen Aktionen gehen seitdem Spitzenpolitiker nachts auf Wählerfang. CDU-Generalsekretär Volker Kauder teilt Kaffee an Taxifahrer aus, CDU-Vize Christoph Böhr besucht Bäckereien und der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) kocht in einem Restaurant.
Die Unionsschwester CSU will mit Flugblättern vor einem rot-rot-grünen Bündnis warnen. Außerdem wolle die Partei massiv E-Mails verschicken, kündigt ihr Generalsekretär Markus Söder an. Die Wahlkampfhelfer würden mit einer Telefonbotschaft von CSU-Chef Edmund Stoiber noch einmal motiviert. "Wir werden bis zuletzt kämpfen", sagt Söder.
Kleine konzentrieren sich auf "Knackgebiete"
"Wenn andere Parteien bis zuletzt auf Stimmenfang gehen, müssen wir Paroli bieten", sagt der Pressesprecher der Linkspartei , Hendrik Thalheim. Die Sozialisten wollen sich auf besonders knappe Wahlkreise konzentrieren. So tritt Spitzenkandidat Gregor Gysi am Samstag in Frankfurt/Oder auf, um Erststimmen für Parteichef Lothar Bisky zu werben.
In Berlin bläst die Partei zu einem 48-Stunden-Dauerwahlkampf bis zur Öffnung der Wahllokale am Sonntag um acht Uhr im Szene-Stadtteil Friedrichshain. Rund um die Uhr soll dort ein Wahlkampfstand besetzt sein. Es gehe darum zu zeigen, dass sich die Parteien um die Wähler bemühen, erklärt Thalheim.
Die FDP schickt am Samstagabend Teams unter anderen in die Berliner Szeneviertel. Zudem werden Bürger am Wochenende in für die Partei aussichtsreichen Wohngebieten noch einmal mit Parteizeitungen und Postkarten versorgt. In der Nacht zu Sonntag sollen zudem an Briefkästen kleine Wahlerinnerungen geklebt werden. Parteichef Guido Westerwelle ist in Nordrhein-Westfalen unterwegs und stattet in Dortmund der "Langen Nacht der Politik" einen Besuch ab. Auch in Köln will er noch einmal Wähler mobilisieren.
Die Grünen laden bereits am Freitagabend zu einer Wahlkampfparty in den Berliner Flughafen Tempelhof. Dort will die Parteispitze um Joschka Fischer, Renate Künast und Claudia Roth ihre Anhänger noch einmal für die letzten 48 Stunden antreiben. Joschka Fischer tritt zudem am Samstag in Hamburg noch einmal vor das Wahlvolk.
Auch die SPD bläst zu einem letzten 48-Stunden-Angriff auf Wählerstimmen. So werden Bundeskanzler Gerhard Schröder und Parteichef Franz Müntefering am Samstag in Frankfurt/Main und Recklinghausen einen letzten Auftritt auf einer Wahlkampfbühne absolvieren. Es sei denn, das Wahlergebnis wird so knapp, dass es für eine endgültige Entscheidung auf die Nachwahl im Wahlkreis Dresden I am 2. Oktober ankommt.
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