Rund 147.000 Wahlberechtigte sind am Sonntag zu einem Urnengang gerufen, der international umstritten ist. Denn die Parlamentswahl findet in der nur von Ankara anerkannten Türkischen Republik Nordzypern statt. Vor allem der griechische Süden unterstreicht die Illegitimität des Staates, hat aber im Vorjahr eine Wiedervereinigung der Mittelmeerinsel auf Grundlage des Annan-Plans abgelehnt. Im Norden wiederum sitzt die Enttäuschung über die EU tief.
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Seine erste Amtszeit war nicht von langer Dauer. Nach nur zehn Monaten musste sich der nordzypriotische Ministerpräsident Mehmet Ali Talat im Oktober geschlagen geben: Die dünne parlamentarische Mehrheit war ihm abhanden gekommen, nachdem drei Abgeordnete der Regierungskoalition aus ihren Parteien ausgetreten waren. Dennoch ist der politische Umschwung in Nordzypern nach der Wahl im Dezember 2003 nicht zu übersehen. Erstmals wurde eine Fraktion, die eine rasche Wiedervereinigung des seit 1974 geteilten Zyperns befürwortet, stärkste Kraft im Parlament.
Bei der vorgezogenen Wahl am Sonntag will Talat mit seiner CTP (Republikanisch-Türkische Partei) weiterhin für seinen Kurs werben. Er plädiert für Gespräche mit dem griechischen Süden zur Lösung des Konflikts. Grundlage dafür soll ein unter UN-Generalsekretär Kofi Annan ausgearbeiteter Plan sein. Im April des Vorjahres hat sich bei einem Referendum die Bevölkerung im türkischen Norden dafür ausgesprochen, während die griechischen Zyprioten den Plan mehrheitlich abgelehnt haben.
Nach neuesten Umfragen wird die CTP führende Kraft bleiben, mit einem prognostizierten Stimmenanteil von 40 Prozent. Für eine Alleinregierung reicht dies jedoch kaum aus. Dass Talats Partei eine Koalition mit der zweitstärksten Fraktion eingeht, ist unwahrscheinlich. Der UBP (Partei der Nationalen Einheit), mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Dervis Eroglu an der Spitze, werden 30 Prozent Stimmenanteil vorausgesagt. Doch zu unterschiedlich sind die Ausrichtungen von CTP und UBP: Letztere hat sich lange Zeit gegen den Annan-Plan ausgesprochen. Bisher hatte die CTP mit der Demokratischen Partei (DP) von Serdar Denktash koaliert. Laut Umfragen könnte die DP auf 12 bis 15 Prozent der Stimmen kommen.
Talat zeigt sich zuversichtlich, dass die Bevölkerung Nordzyperns weiterhin an einer Wiedervereinigung interessiert sei - auch wenn die Enttäuschung über die EU tief sitzt. Denn die Isolation des Landesteils konnte die Union nicht durchbrechen, der griechische Süden blockiert weiterhin etwa die Möglichkeiten des direkten Handels.
"So lange die Republik Zypern ein Vetorecht hat, kann sie alle Maßnahmen für den Norden verhindern", räumt auch Hannes Swoboda ein, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPE im Europäischen Parlament. Die SozialdemokratInnen setzen sich für einen Beobachterstatus für türkische Zyprioten im EU-Parlament ein. Zwei Sitze von sechs sind für Abgeordnete aus dem Norden vorgesehen. Dass diese Mandate jedoch derzeit nicht vergeben werden - und an einen offiziellen Beobachterstatus für türkische Zyprioten nicht zu denken ist - liegt am Widerstand griechisch-zypriotischer und griechischer Abgeordneter.
"Der Süden Zyperns ist nicht hilfreich", meint Swoboda. Präsident Tassos Papadopoulos knüpft etliche Forderungen an die Aufnahme von Gesprächen zur Wiedervereinigung und pocht auf eine Anerkennung der Republik Zypern durch die Türkei. Ankara hat dies bereits angekündigt, um damit eine Bedingung für den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der EU zu erfüllen. Doch der Forderung nach Abzug der bis zu 30.000 türkischen Soldaten aus Nordzypern will es vorerst nicht nachgeben.
Die Zeichen für eine neue Initiative zur Lösung des Konflikts mehren sich dennoch. UN-Generalsekretär Annan ermutigte Papadopoulos, "seine Ansichten zu Papier zu bringen". Auch der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan zeigt sich offen für Gespräche. Er erwarte allerdings nun Schritte von der griechisch-zypriotischen Regierung. Sollten im türkischen Norden die Befürworter einer raschen Wiedervereinigung abermals gewinnen, hätte der griechische Süden noch weniger Argumente, die Zusammenarbeit zu verweigern.
Mitarbeit: Sami Özuslu, Nikosia