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Wahlkampf im Zeichen des Brexit

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Am 12. Dezember gehen die Briten wählen. Bis dahin wird es einmal mehr um eines gehen: den EU-Austritt des Landes.


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Für Großbritanniens Wettbüros ist die Sache ausgemacht. Die "bookies" prophezeien für den 12. Dezember einen Tory-Sieg. Das ist begreiflich, weil alle Meinungsumfragen Boris Johnsons Konservative vorne sehen. Im Mittelwert der Umfragen kommen sie auf 36 Prozent.

Die jüngste Opinium-Poll-Umfrage geht sogar von 40 Prozent Zuspruch aus. Das würde Johnson eine satte absolute Mehrheit im Unterhaus verschaffen - dank dem britischen Mehrheitswahlrecht, bei dem der Sieger jedes einzelnen Wahlkreises ins Parlament einzieht.

Die Labour Party, die Partei der britischen Sozialisten und Sozialdemokraten, hängt bei 24 Prozent fest. Manche Umfragen halten es sogar für möglich, dass Labour auf 20 Prozent absackt. Die Parteiführung verweist darauf, dass die Umfragen schon ähnlich schlecht waren, als Theresa May 2017 Wahlen ausschrieb - und dass Labour sich damals doch noch gefangen hat und May am Ende eine absolute Mehrheit verwehrte. Jeremy Corbyn hält sich für einen hervorragenden Wahlkämpfer. Aber viele seiner Mitstreiter sind eher skeptisch, was Labours Aussichten betrifft.

Große Erwartungen

Drei weitere Parteien machen sich Hoffnungen auf ein gutes Abschneiden. Die Liberaldemokraten (LibDems) haben sich zu Anwälten der Pro-Europäer gemacht und rechnen damit, Tories und Labour ein paar Dutzend Wahlkreise abzunehmen. Die LibDems, die bei den vergangenen Wahlen auf nur zwölf Sitze kamen, meinen, ihre Mandate auf bis zu achtzig vervielfachen zu können. Einige träumen sogar von dreistelligen Sitzzahlen. Zugesprochen werden den LibDems zurzeit 18 Prozent.

In Schottland hofft die nur dort antretende Schottische Nationalpartei (SNP) vier von zehn "heimischen" Stimmen einzuheimsen. Sollte sie das schaffen, fielen ihr fast alle der 59 schottischen Westminster-Sitze zu. Ein derartiger Wahltriumph gäbe der SNP nach eigenem Verständnis das Recht, Anfang nächsten Jahres von der Londoner Zentralregierung ein neues Unabhängigkeits-Referendum für Schottland zu fordern.

Sollte Labour bei den Wahlen am 12. Dezember wider Erwarten stärkste Partei werden, Corbyn die SNP aber für eine Mehrheit im Unterhaus brauchen, will die SNP-Vorsitzende und schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon die Genehmigung für ein solches Referendum zur Bedingung für eine Unterstützung Labours im Unterhaus machen.

Beim schottischen Unabhängigkeits-Referendum von 2014 hatten die unionistischen Parteien noch mit 55 zu 45 Prozent über die Separatisten gesiegt. Aber gegenwärtig sprechen sich, unter dem Eindruck der Brexit-Misere, im pro-europäischen Schottland bereits rund 50 Prozent für die Unabhängigkeit aus.

Mehr um englische Belange geht es der Brexit Party von Nigel Farage. Die Nachfolgepartei Ukips verlangt einen Brexit ganz ohne Vereinbarung mit der EU (sie nennt das "einen sauberen Brexit"). Farages Partei tritt zum ersten Mal zu Unterhauswahlen an. Aus den Europawahlen dieses Jahres ging sie als Siegerin hervor, und von den Wahlen am 12. Dezember erhofft sie sich erstmals einen Einzug ins House of Commons. Elf Prozent der Stimmen traut man ihr derzeit zu. Zwischen zehn und 50 Sitze wären möglich - solange die Brexit-Hardliner in der Bevölkerung eher Farage als Premier Boris Johnson vertrauen.

Was den Brexit betrifft, hängt bei diesen Wahlen viel davon ab, ob sich die beiden Lager zu internen Absprachen bereitfinden. Auf der Pro-Brexit-Seite hat Farage Johnson angeboten, in jenen Wahlkreisen keine Kandidaten aufzustellen, in denen ein Tory-Hardliner gute Chancen hat.

Auf dieses Angebot sind die Konservativen bisher nicht eingegangen. Sie befürchten, dass Farage sich Einfluss auf den weiteren Verlauf der Dinge aushandeln wollen würde.

Labour fürchtet LibDems

Auf der Gegenseite gibt es den Ansatz einer "progressiven Allianz" zwischen den Liberaldemokraten, der walisischen Nationalpartei Plaid Cymru und den Grünen. Eine solche Allianz hätte allerdings nur geringe Chancen, weil Plaid Cymru relativ klein ist und die Grünen über nur einen Sitz im Unterhaus verfügen.

Indes hat Jeremy Corbyn wenig Interesse daran, Kompromisse zu schließen - zumal er befürchten muss, dass viele seiner Wähler, denen Labour nicht pro-europäisch genug ist, diesmal zu den Liberaldemokraten abwandert.

Was der 12. Dezember bringt, ist in keiner Weise absehbar.