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Natürlich ist es unfair, Parteien an ihren einstigen Überzeugungen zu messen, schließlich ist Politik die pragmatische Suche nach alltagstauglichen Lösungen für konkrete Probleme. Aber weil Politiker der Versuchung nicht widerstehen können, jeden noch so kleinen Winkelzug als fixen Teil eines ganzheitlichen Erlösungsprojekts zu verkaufen, verwenden Journalisten gerne das Archiv als Rache an den Politikern (allerdings immer öfter auch umgekehrt).
Es war also 2007, da beschloss die damals noch alleinregierende SPÖ in Wien das Gebühren-Valorisierungsgesetz. Dessen prinzipiell plausible Idee lautet, notwendige Abgabenerhöhungen für Müll, Wasser, Kanal und Parken von der für Populismus anfälligen Tagespolitik einer Regierungspartei zu entkoppeln und an die Inflationsentwicklung zu koppeln. Natürlich kann man das als "Flucht aus der politischen Verantwortung" kritisieren, wie dies die Opposition tut (mit dem gleichen Argument legt sich übrigens die SPÖ gegen die ungeliebte Pensionsautomatik quer). Muss man aber nicht.
Die Not der Wiener SPÖ ist derzeit so groß, dass sie ihr eigenes Gebührengesetz auf Zeit außer Kraft setzt. Beides wird die kommenden Sparprogramme als Folge des nationalen Stabilitätspakts nicht kleiner werden lassen.
Eine Kehrtwendung mit symbolischem Wert vollzieht die SPÖ beim Thema Wohnen. Wien wächst weit stärker als noch vor Jahren prognostiziert, entsprechend stark steigen die Kosten vor allem für Junge und Neuankömmlinge. Antworten darauf zu finden, ist der Job der Stadtregierung, und sie versucht es mit einem Modell "Gemeindebau neu". Das Rad der Zeit wird sich deshalb nicht in die goldene Ära der Wiener Wohnbaupolitik zurückdrehen lassen, dazu sind die veranschlagten Beträge schlicht zu gering.
Von rein folkloristischem Charakter ist dagegen, dass sich die SPÖ nun als Retter der Bezirksautonomie vor angeblichen Zentralisierungsgelüsten der Grünen gibt. Schließlich wehrte sich die SPÖ jahrzehntelange gegen die ohnehin nur kümmerlich ausgeprägten Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bezirke. Dass diese heute eine praktische Rolle beim Ausbremsen unliebsamer Ideen eines lästigen Koalitionspartners spielen könnten, konnte man damals ja noch nicht ahnen.
Wiens Bürger mögen erst im Oktober wählen, ihre Politik befindet sich ab sofort im Wahlkampfmodus. Und es ist noch nicht einmal März.