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Wahlkampf mit nur zwei Unbekannten

Von Walter Hämmerle

Politik

Überraschungen sind für die am Sonntag stattfindenden Vorarlberger Landtagswahlen nicht zu erwarten: Der Landeshauptmann wird auch weiterhin von der ÖVP gestellt werden und Herbert Sausgruber heißen. Gut möglich auch, dass er die absolute Mehrheit zurückerobert, die 1999 verloren ging. Viel an den derzeitigen Machtverhältnissen ändern würde das aber auch nicht. Spannung versprechen daher nur zwei Fragen: Wer schafft den Sprung auf Platz 2 und setzt sich der Trend zur massenhaften Wahlabstinenz auch am Sonntag fort.


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Seit der EU-Wahl im vergangenen Juni mag sich wohl so mancher Vorarlberger Politiker gefragt haben, ob die Abschaffung der Wahlpflicht, die am Sonntag zum ersten Mal die Probe aufs Exempel macht, tatsächlich der Weisheit letzter Schluss gewesen ist. Nur noch 36 Prozent der stimmberechtigten Bürger fanden es an diesem Tag der Mühe wert, den Weg in ihr Wahllokal auf sich zu nehmen.

Schon die Bundespräsidentenwahlen im April waren in dieser Hinsicht bereits ein warnender Wink mit dem Zaunpfahl: Damals wollten nur 55 Prozent die Wahl zwischen Benita Ferrero-Waldner und Heinz Fischer auf sich nehmen. Bei den Landtagswahlen 1999 lag die Beteiligung noch bei 88 Prozent - allerdings bei aufrechter Wahlpflicht -, bei den Nationalratswahlen 2002 bei 84 Prozent.

Kein Wunder also, dass sich alle Parteien mit Aufrufen an die sehr geehrten Bürger, doch bitte, bitte unbedingt zur Wahl zu gehen, förmlich überschlagen. Denn ganz abgesehen vom verheerenden demokratiepolitischen Signal einer Wahlbeteiligung, die nur mit Mühe die 60-Prozent Marke überspringt: Keine der etablierten Parteien kann sich sicher sein, die eigenen Anhänger ausreichend mobilisieren zu können.

Dazu leistete auch der Wahlkampf keinen allzu großen Beitrag. Sicher, an Plakaten - für den Bürger der untrüglichste Hinweis, dass wieder Wahlen vor der Tür stehen - mangelte es nicht. Landauf, landab wurden die Spitzenkandidaten im Portrait präsentiert. Die einen - LH Sausgruber - selbstbewusst und landestragend; andere - SPÖ-Spitzenkandidatin Elke Sader - bodenständig; wieder andere - FPÖ-Frontmann Landesstatthalter Dieter Egger - im klassischen Haider-Stil jung und dynamisch; und manche - Grünen-Spitzenkandidat Johannes Rauch - haben es sogar jenseitig angelegt: Anders lassen sich die Plakate der Öko-Partei, die das Kandidaten-Team mit weit aufgerissenen Mündern in Großaufnahme zeigen, kaum bezeichnen.

Besuch aus Wien war nicht überall gern gesehen

Wie arm der Wahlkampf an Aufregern war, lässt sich daran veranschaulichen, dass die Frage, welche Partei Hilfe aus der fernen Bundeshauptstadt in Anspruch nahm, von den regionalen Medien lebhaft kommentiert wurde. Die Volkspartei blieb dabei ihrer traditionellen Linie treu und verbat sich hohen Besuch der Bundespartei. Nicht einmal Bildungsministerin Elisabeth Gehrer, die - obzwar gebürtige Tirolerin - ihre politische Karriere auf der anderen Seite des Arlbergs startete, wurde zu Wahlkampfzwecken eingesetzt. Stattdessen vertraute man ganz auf die Strahlkraft des Landeshauptmanns, dessen größtes Atout wohl darin besteht, dass ihm jegliches Strahlen völlig fremd ist. Sausgruber ist, wie sich wohl die meisten Vorarlberger ihren Landeshauptmann wünschen: Staubtrocken, sachlich und sparsam. Schwer vorstellbar, dass sich mit diesen Charaktereigenschaften irgendwo sonst ein Persönlichkeitswahlkampf erfolgreich führen ließe. Und dennoch oder besser gesagt: gerade deshalb stehen die Chancen gut, dass die ÖVP nach den Wahlen wieder allein regieren könnte, wenn sie denn wollte.

Zu verdanken hat dies die ÖVP, neben der eigenen soliden Regierungsarbeit, dem noch-Koalitionspartner FPÖ. Diese sitzt mit 27 Prozent auf einem Berg an Wählerstimmen, der heute nicht mehr zu halten ist. Denn weder ist die FPÖ des Jahres 1999 mit jener 2004 noch Dieter Egger mit seinem Vorgänger Hubert Gorbach zu vergleichen. Auch wenn die "Ländle"-FPÖ stets auf einen eigenständigen Kurs gegenüber der Bundespartei bedacht war, ganz lässt sich auch zwischen Arlberg und Bodensee der Gegenwind nicht verdrängen, der der Partei seit damals scharf ins Gesicht bläst. Da half es auch nichts, dass sich Egger als einziger Spitzenkandidat mit dem noch immer populären Vizekanzler plakatieren ließ. Sogar die nimmermüde Wahlkampflokomotive Jörg Haider wurde zwecks Unterstützung eingeflogen. Noch vor einem Jahr war hier der Groll auf Haider besonders groß, da man ihm die Manöver in und rund um Knittelfeld 2002 nicht verzieh. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen eben auch ohne Salz.

Dass die FPÖ daher am Sonntagabend der klare Verlierer sein wird, steht schon heute zweifelsfrei fest. Spannung verspricht jedoch die Frage, ob sie soviel verlieren wird, dass es nicht einmal mehr für Platz zwei reichen wird. Derzeit liegen zwischen Freiheitlichen und SPÖ rund 14 Prozent.

Für die SPÖ und Elke Sader würde der Sprung auf Platz zwei ein Ende der politischen Bedeutungslosigkeit versprechen, in welche die Partei dank hartnäckigster innerparteilicher Intrigen und Streitereien während der vergangenen zwei Jahrzehnte kontinuierlich abgerutscht war. Letzte Umfragen geben Sader und ihrem Team gute Chancen, dieses Ziel zu erreichen. Inhaltlich konzentrierte sich die SPÖ auf den bereits bewährten Kampf gegen Schwarz-Blau und die steigende Arbeitslosigkeit sowie auf das besonders im Rheintal drängende Verkehrsproblem.

Zulegen werden auch die Grünen, wenngleich es ihnen wohl auch diesmal nicht gelingen wird, ihr Potenzial abzurufen. Außer mit ihren gewöhnungsbedürftigen Wahlplakaten sorgten sie mit der Forderung nach einer Ringstraßenbahn für das untere Rheintal für Gesprächsstoff.

Halten sich die Wähler an die Prognosen der Umfragen, dann kann sich die ÖVP ab Montag einen neuen Partner für die Regierung aussuchen. An Signalen, dass man mit dem bisherigen Kompagnon, der FPÖ, nicht mehr ganz so recht zufrieden ist, hat es in den letzten Wochen jedenfalls nicht gemangelt.