Ganz anders als im durch die Voest-Privatisierung emotionalisierten Oberösterreich, wo ebenfalls am 28. September Landtags- und Gemeinderatswahlen stattfinden, kommt der Wahlkampf in Tirol nur langsam auf Touren. Es fehlt schlicht an einem die Wähler mobilisierenden Sachthema, über das sich trefflich streiten ließe. Auch die Transit-Frage ist dafür nur beschränkt geeignet, sind sich doch zumindest hier die Tiroler Landesparteien weitgehend einig. Also konzentriert sich die ganze öffentliche Aufmerksamkeit auf die Frage, ob es der ÖVP unter Landeshauptmann Herwig van Staa gelingen wird, die absolute Mehrheit zurück zu erobern.
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Die letzten Landtagswahlen 1999 bescherten dem "Heiligen Land" ein historisches Ergebnis: Erstmals seit 1945 verlor die ÖVP die absolute Mehrheit im Landtag. Bei einer Wahlbeteiligung von knapp 80 Prozent erreichte damals die ÖVP unter dem damaligen Spitzenkandidaten und Landeshauptmann Wendelin Weingartner mit 47,2 Prozent 18 Mandate, die SPÖ kam auf 21,8 Prozent (8 Mandate), die Freiheitlichen auf 19,7 Prozent (7 Mandate) und die Grünen auf 8,0 Prozent (3 Mandate).
Dass der Tiroler Wahlkampf nur verhältnismäßig schleppend in Gang kommt, führt Peter Hajek, Meinungsforscher bei OGM, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" auf das Fehlen eines emotionalisierenden Themas zurück. Zwar würde sich prinzipiell das Transit-Thema für Wahlkampfzwecke eignen, doch fehle hier die wahlkampf-gemäße Verdichtung. Die Folge dieser Situation ist, dass der Tiroler Wahlkampf - im Gegensatz zu seinem oberösterreichischen Pendant, das vom Mega-Thema Voest profitiert - weitgehend ohne die Aufmerksamkeit der überregionalen Medien auskommen muss.
Eine Ansage ohne Risiko
Als "Ansage ohne Risiko" bezeichnet Hajek angesichts der Umfragen, die fast ausnahmslos von einem klaren Sieg der ÖVP ausgehen, die Ankündigung van Staas, im Falle von "18 Mandaten oder weniger" das Amt des Landeshauptmanns zurück zulegen und eine "geordnete Übergabe" einzuleiten. Dies seien in erster Linie ein Signal an die eigenen Funktionäre. Denn auch im Medienzeitalter sei ein funktionierender Parteiapparat und Funktionäre, die hinaus zum Wähler gehen, "das A und O einer erfolgreichen Wahlkampagne", ist der Meinungsforscher überzeugt.
Angesichts dieser Ausgangslage verwundert es nicht, dass sich SPÖ, Freiheitliche und Grüne geschlossen der Abwehr einer absoluten Mehrheit der Volkspartei verschrieben haben. Dabei haben sie es insbesondere auf den Führungsstil Van Staas abgesehen, dem sie unter anderem mangelnde Teamfähigkeit vorwerfen. Selbst präsentieren sich die drei ungleichen Partner in ihrer Rolle als Kontrollpartei - sei dies nun in der Form eines möglichen Koalitionspartners für die ÖVP oder eben als Oppositionspartei.
Die SPÖ im Dilemma
In einer schwierigen Situation befinden sich für Hajek die Tiroler Sozialdemokraten. Ähnlich wie im benachbarten Vorarlberg leide die Landespartei schon seit Jahren an einer chronischen Profilschwäche. Ihr gelinge in den Augen vieler Wähler einfach keine überzeugende Antwort auf die Frage nach dem Zweck der eigenen Existenz. Denn anders als etwa die Sozialdemokratie auf Bundesebene, die nach wie vor das Soziale als prägendes Image vorweisen könne, gelinge es der Tiroler Landespartei derzeit einfach nicht, ein Thema glaubwürdig zu besetzen. Mit dem derzeitigen Parteichef und Spitzenkandidaten, Landeshauptmannstellvertreter Hannes Gschwendtner, hat dies nach Ansicht Hajeks wenig zu tun, obwohl es auch ihm an einem klaren Profil mangle. Dieses Problem habe sich auch schon unter dessen Vorgänger abgezeichnet. Die SPÖ stehe im Land vor der Herausforderung, sich quasi neu erfinden zu müssen.
Vor einem schmerzvollen Wahlabend stehen die Tiroler Freiheitlichen, droht ihnen laut allen veröffentlichen Meinungsumfragen doch ein schwerer Absturz in der Wählergunst. Seit Monaten befindet sich die Partei in einem Selbstzerfleischungsprozess, der auch jetzt, knapp drei Wochen vor dem Wahlsonntag, noch immer nicht gänzlich abgeschlossen scheint: Auch nach einem Sonderparteitag vor wenigen Wochen, bei dem der Führungsanspruch von Landesparteiobmann und Spitzenkandidat Willi Tilg bestätigt wurde, nehmen die Querschüsse aus den eigenen Reihen kein Ende. Dazu kommt noch, dass auch von Bundesseite her der Landespartei ein scharfer Wind ins Gesicht weht. Tilg selbst will erst ab einem Verlust von mehr als fünf der derzeit immerhin noch sieben Mandaten beginnen, "ernsthaft" über persönliche Konsequenzen nachzudenken. Der Berufsoffizier hält nach außen hin weiter unbeirrt an seinem Wahlziel, "noch vor den Grünen" zu liegen, fest: Zumindest elf Prozent bzw. vier Mandate will er erreichen.
Grüne mit guten Chancen
Zweiter großer Gewinner neben der ÖVP werden am Wahlsonntag die Grünen unter ihrem Obmann und Spitzenkandidaten Georg Willi sein, prognostiziert Hajek. Ihnen sei es - im Gegensatz zur SPÖ - mit der Transit-Frage gelungen, ein Themen erfolgreich zu besetzen.
Mittel- bis langfristig hält es Hajek sogar für möglich, dass die Grünen die SPÖ angesichts deren struktureller Schwächen in Tirol überflügeln könnten. Zwar werde dies diesmal noch nicht gelingen, da die Sozialdemokraten berechtigter Weise auf substanziellen Zulauf von Seiten enttäuschter FPÖ-Wähler hoffen können. Doch auf längere Sicht gesehen, sei ein solches Szenario keineswegs unrealistisch, glaubt Hajek.