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So tief wie befürchtet war der Wahlkampf nicht. Allerdings bleibt viel Luft nach oben. Zehn Punkte, die aufgefallen sind.
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* Die Unsichtbaren Teil I:
Politik ist mitunter erbarmungslos. Heute noch im Mittelpunkt, kann es passieren, dass man über Nacht in der Versenkung verschwindet. So passiert in diesem Wahlkampf Kanzler Gusenbauer und Gesundheitsministerin Kdolsky.
* Die Unsichtbaren Teil II:
Wohltuend zurückhaltend, zumindest in Sachen Parteipolitik, verhielten sich Österreichs Parade-Intellektuelle und Adabei-Szene. Der Faymann-/Gusenbauer-Brief an die "Krone" hatte also doch noch etwas Gutes. Nur: Warum nicht schon früher diese Enthaltsamkeit?
* Seltsame Doppelrolle:
SPÖ-Wissenschaftssprecher Josef Broukal stimmte bis zuletzt im Parlament für die SPÖ und betätigte sich gleichzeitig als politischer Kommentator in Zeitungen und als Moderator von Wahlkampfduellen im Privat-TV. Selbst für heimische Verhältnisse gewöhnungsbedürftig wegen offensichtlicher Unvereinbarkeit.
* Grenzüberschreitung: Österreichs Politik ist fürwahr kein Mädchenpensionat und zweifellos stimmt, dass es die Medien in anderen Ländern viel bunter treiben. Wolfgang Fellners "Österreich" leistet allerdings einen maßgeblichen Beitrag, dass auch bei uns demnächst britische Sitten einziehen. Hier wurden offensichtliche politische Rechnungen zwischen Erwachsenen auf Kosten der pubertierenden Kanzler-Tochter beglichen. Gusenbauers klagten, man darf aufs Urteil gespannt sein.
* Wahlen im Privat-TV:
Der ORF ist der ORF ist der ORF - mit all seinen Schwächen und Stärken. Die Wahldebatten im Privat-TV waren aber auf jeden Fall eine Bereicherung. Originelle Fragen brachten zumindest einen Hauch persönlicher Spontaneität.
* Dünnes Nachwassern:
Keine Frage, es gibt dankbarere Jobs im ORF-Studio, als unmittelbar nach den TV-Duellen die Performance der Kandidaten zu bewerten. Von daher Beileid, Herr Filzmaier und Frau Karmasin! Ein bisschen mehr Tiefgang hätte trotzdem nicht geschadet. Und warum spricht Frau Karmasin eigentlich immer im Plural?
* Der Zangenangriff:
Der Feind meines Feindes ist mein Freund, besagt eine alte Politikweisheit mit fragwürdigem moralischen Hintergrund. Darauf besannen sich in den vergangenen zwei Wochen EU-Mandatar Hans-Peter Martin und die Grünen, die in vollendetem Doppelpass-Spiel an der Versenkung des LIF arbeiteten. Martin sah eine Gelegenheit, sich für den Absprung seiner ehemaligen Gefolgsfrau Karin Resetarits zu den Liberalen zu rächen; für die Grünen galt es, einen lästigen Stimmenkonkurrenten zu beschädigen. Und da sage noch einer, die Grünen seien unprofessionell - Hut ab, reife Leistung.
* Der Knalleffekt:
Der Zangenangriff von Martin und Grünen blieb nicht ohne Wirkung. Sechs Tage vor der Wahl legte LIF-Chef und Listen-Zweiter Alexander Zach alle politischen Ämter zurück. Ihm wurde seine Lobbying-Tätigkeit für Eurofighter-Hersteller EADS zum Verhängnis. Die Zitterpartie des LIF wird dadurch wohl noch spannender.
* Sololauf:
Bunter zwar das Parteienangebot nie war - zehn Listen treten am Sonntag um Stimmen und Mandate an -, die Themenpalette könnte aber dünner nicht sein. Von wegen Standort, Arbeitsmarkt, Pflege, Gesundheit, Integration, Sicherheit, Klimaschutz, Energie oder Bildung - außer Teuerung war in diesem Wahlkampf nichts gewesen. Ein Armutszeugnis.
* Sonnenfinsternis:
Von wegen "Sternstunde des Parlamentarismus" und freies Spiel der Kräfte! Was sich am Mittwoch im Ho-hen Haus abgespielt hat,
ist einer reifen Demokratie schlicht unwürdig. Polit-
Basar at its worst.