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Wahlkampf-Start im Gottesstaat

Von WZ-Korrespondent Arian Faal

Politik
Rezai-Anhänger versuchen ein Stoffplakat ihres Kandidaten aufzustellen. Foto: ap

Rezai setzt auf unzufriedene Hardliner. | Moderate üben Kritik an Ahmadinejads Wahlkampagne. | Teheran. Der Wahlkampf für die zehnten Präsidentschaftswahlen im Iran hat merklich an Profil gewonnen, seit der gemäßigt-konservative Mohsen Rezai am Mittwoch voriger Woche - als vierter Kandidat nach den Reformern Mir Hossein Moussavi und Mehdi Karroubi und dem konservativen Amtsinhaber Mahmoud Ahmadinejad - seine Kandidatur bekanntgegeben hat. Der Exkommandant der Revolutionswächter aus dem Lager der Usulgerayan (Prinzipientreue) hat damit das Feuer auf Präsident Ahmadinejad eröffnet und dessen Hoffnung auf eine Einheitskandidatur für das Lager der Hardliner zunichte gemacht. Die Spaltung der Konservativen ist jedoch nichts Neues. Schon bei den letzten Parlamentswahlen im März 2008 war mit dem Sieg der gemäßigten Neo-Konservativen eine Kluft erkennbar, die nur durch die strenge Weisung des Revolutionsführers Ali Khamenei zusammengehalten werden konnte. In der Folge leistete allerdings ausgerechnet der moderate Khamenei-Vertraute, Parlamentspräsident Ali Larijani, dem Präsidenten und Chef der Exekutive öfters Widerstand, etwa in der Besetzung der Ministerien. Auch Rezai steht Ahmadinejads Ansichten oft skeptisch gegenüber und wird sich daher innerhalb der Frist, die der für die Wahlen verantwortliche Wächterrat von Dienstag bis Samstag offiziell angesetzt hat, als sein konservativer Rivale registrieren lassen. Eines scheint im Vorfeld gewiss: Es wird ein spannender Urnengang.


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Scharfe Geschützegegen das Reformlager

Wer ist Rezai? Zu Zeiten des Iran-Irak-Kriegs in den Achtzigerjahren kletterte er die militärische Karriereleiter steil hinauf und wurde Chef der wichtigsten Stütze des Regimes, der Revolutionsgarden. Heute dient er als Sekretär in dem von Ex-Präsident Ali Akbar Haschemi Rafsanjani geführten Rat für das Staatsinteresse. Auch wenn ihm Experten keine ernsten Siegeschancen einräumen, kann er doch, befreit vom systemkritischen Stigma der Reformer, mit der nötigen Kompetenz gegenüber seinem Widersacher Ahmadinejad punkten. Gegen die Reformer grenzte Rezai sich gleich beim ersten Kampagneauftritt mit der Bemerkung ab, diese hätten sich mit der These, es bestehe ein Widerspruch zwischen Freiheit und Religion, das eigene Grab geschaufelt. Er versicherte auch, diesmal werde er bis zur Entscheidung im Rennen bleiben, während er 2005 am letzten Tag vor dem Urnengang ausgestiegen war und Ahmadinejad den Sieg ebnete. Rezai deutete zudem an, dass auch weitere Konservative kandidieren könnten, etwa Parlamentspräsident Ali Larijani, Ex-Außenminister Ali Akbar Velayati und der Teheraner Bürgermeister Mohammad Bagher Ghalibaf. Doch seien sie alle vom Gedanken einer Koalitionsregierung beseelt, und der Sieger unter ihnen werde die Eliten unter den Prinzipienwahrern und anderen Volksgruppen ins Kabinett holen.

Nach Rezais Fernsehauftritt kommt Amtsinhaber Ahmadinejad ins Schwitzen. Dieser will sich offiziell zwar erst kurz vor Auflauf der Frist am Samstag registrieren lassen, doch insgeheim hat sein Wahlkampf längst begonnen: Die Besuche in den Provinzen, etwa letzte Woche in Shiraz und Massenkundgebungen, die einer Wahlkampagne sehr ähnlich sehen, sind ein erstes Indiz dafür. Drei Stunden brauchte er allein in Shiraz, um mit dem Wagen bis zum Redepult vorzudringen, derart eng waren die Massen der Anhänger gedrängt. Mit Blick auf diese systematisch gepflegte Zuträgerschaft in allen Provinzen nehmen Analysten Ahmadinejads Aussichten auf eine Wiederwahl sehr ernst. Sein reformorientierter Herausforderer Mir-Hossein Moussavi kritisierte indes, ein tödlicher Verkehrsunfall mit einem Bus voller Studenten habe erst kürzlich wieder zutage gebracht, dass die Kampagnenmanager des Präsidenten Studenten und Soldaten stets aus mehreren hundert Kilometern Umkreis mit Bussen heranführten, um den Eindruck zu vermitteln, das ganze Volk stehe hinter dem Amtsträger.

Innenminister Mahsuli gab bekannt, per Internet hätten sich schon über tausend Personen als Kandidaten eingeschrieben, doch werde die genaue Zahl erst Ende dieser Woche feststehen. Der Wächterrat werde dann binnen weniger als zwei Wochen entscheiden, wer von den Bewerbern die verfassungsmäßigen Qualifikationen für die Kandidatur am 12. Juni mitbringe.

Heftige Kritik anWirtschaftspolitik

Alle Widersacher Ahmadinejads haben eines gemein: Sie sparen nicht an Kritik an der Wirtschaftspolitik der Regierung. Rezai stieß sich bei seinem ersten Medienauftritt als Präsidentschaftskandidat darüber hinaus an Ahmadinejads populistischer Atompolitik, die er als abenteuerlich bezeichnete. Die Fokussierung auf das zur nationalen Frage hochstilisierte Thema gefährde die bisherigen Erfolge in der Außenpolitik. Rezai beklagte weiter, dass die Regierung in den letzten vier Jahren 340 Milliarden Dollar durch die Ausfuhr von Erdöl und -gas eingenommen, doch die dadurch ermöglichten Investitionen völlig verschlafen habe. Er habe das Land an den Abgrund geführt.

Moussavi meinte zur Wirtschaftspolitik, die Regierung expandiere die Armut, weil sie, statt Arbeitsplätze zu schaffen, glaube, die Not mit Geschenken bekämpfen zu müssen. Ein konservativer Chefredakteur forderte sogar, der Wächterrat sollte Ahmadinejad als Kandidaten disqualifizieren, weil er dem Volk bezüglich der Staatsfinanzen laufend falsche Tatsachen vorgaukle.