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Wahlkampf zieht in den Nationalrat ein

Von Martina Madner

Politik

Viele Themen bei der heutigen Plenarsitzung, doch vieles davon bleibt vermutlich reine Wahlkampfforderung.


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Wien. Es ist Mittwoch, 20. September - die 183 Abgeordneten weihen den brandneuen Übergangsplenarsaal in der Hofburg mit der 194. und daran anschließenden 195. Nationalratssitzung ein. Eigentlich stünden nach dem Ministerrat der Regierung ab 9 Uhr nur je eine aktuelle und eine Europa-Stunde sowie simple neun Punkte, darunter die Berichte aus Ausschüssen, und der Bericht zum Eurofighter-Untersuchungsausschuss auf der Agenda.

Eigentlich - denn es ist Wahlkampf. Und bereits am Tag davor ist klar: Nach Auftaktevents und Bundesländerterminen nutzen die Parteien auch das Nationalratsplenum, um für "unsere Themen Öffentlichkeit zu schaffen", wie es eine Abgeordnete ausdrückt, um mit Vertretern der Regierungsparteien "abzurechnen", wie es aus einem Parlamentsklub heißt.

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SPÖ setzt Noch-Koalitionspartner unter Druck

Die SPÖ bringt ihren Gesetzesentwurf zum Thema Gruppenklagen ein. Inhaltlich geht es darum, dass Konsumenten gemeinsam bei gleichartigen Rechtsstreitigkeiten eine Gruppenklage einbringen können, unrechtmäßig erworbene Gewinne abgeschöpft werden können und die Ansprüche weiterer Geschädigter während eines Musterverfahrens nicht verjähren. Das Gesetz soll Konsumenten rascher zu ihrem Recht verhelfen, Unternehmen vor den unlauteren Methoden ihrer Mitbewerber schützen und die Justiz durch weniger Verfahren entlasten, sagt der zuständige SPÖ-Minister Alois Stöger.

Sprach es und erläutert den Subtext, der aktuell bei vielen Aussagen von Wahlkämpfenden mitschwingt, Druck aufs ebenfalls wahlwerbende Gegenüber auszuüben: "Wir wollen ein Gesetz einbringen, das bisher an der Blockade einzelner Gruppen in der ÖVP gescheitert ist, und laden Sie ein, hier mitzumachen", sagt Minister Stöger.

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder leistet seinem Parteikollegen Schützenhilfe und ergänzt um weitere Vorhaben, die man erst in den Ministerrat, danach ins Plenum einbringen wolle: das Verbot von Bankomatgebühren, die von der SPÖ am Tag davor präsentierte Begrenzung von Mieten, "das Gesetz dazu liegt dem Parlament bereits vor", sowie die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. Letzteres habe ÖVP-Chef Sebastian Kurz selbst gefordert: "Wir leben in einer Phase, wo immer wieder - auch vom ÖVP-Chef - in Politikerinterviews behauptet wird, er würde das gerne machen. Ich glaube, jetzt ist der Moment da, dass man Nägel mit Köpfen macht. Wir machen den Test, ob Ankündigungen ernst gemeint sind oder nicht."

ÖVP hält sich im Vorfeld der Sitzung bedeckt

Der Angesprochene selbst hielt sich am Dienstag bedeckt, äußerte sich von der UNO-Vollversammlung in New York aus nicht zu innenpolitischen Themen. Die SPÖ-Mietrechtsänderungen lehnte der Wiener VP-Chef Gernot Blümel stellvertretend für seine Partei als "populistisch ideologisch" ab, sie sei nicht im Sinne der Immobilienwirtschaft und ungeeignet, um Wohnungsnot zu reduzieren.

ÖVP-Finanzminister Hans-Jörg Schelling hatte bereits eingemahnt, dass teure Beschlüsse vor der Nationalratswahl verhindert werden müssten. Sein Vorschlag war eine Pflicht, die Gegenfinanzierung auch bei Initiativanträgen, die direkt im Nationalrat eingebracht werden, offenlegen zu müssen. Klubchef Schieder stellte folglich klar, dass die vorgeschlagenen Gesetze seiner Partei "keine Wahlzuckerl darstellen, weil sie gar nichts kosten."

Auf neue Antworten zur Plenarsitzung verwiesen verschiedene ÖVP-Politiker unisono an ihren Klubobmann Reinhold Lopatka. Der aber wollte sich zu keinem der Themen äußern. Aus seinem Umfeld war nur zu hören, dass die ÖVP keine Alleingänge plane, sondern sich ans Koalitionsübereinkommen halte.

SPÖ-Gesetze ohne den Koalitionspartner möglich

Brisant könnte es übrigens werden, wenn der Koalitionspartner bei den Gesetzesvorschlägen der Sozialdemokraten nicht mitgeht. Für diesen Fall bringt Schieder etwas kryptisch das freie Spiel der Kräfte im Nationalrat zur Sprache: "Im parlamentarischen Prozess heißt es, Mehrheiten suchen. Und wenn sich Mehrheiten abzeichnen, wird man dann entscheiden, ob diese Mehrheiten mit oder ohne ÖVP getroffen werden." Am Tag vor der Sitzung entschärft er das allerdings noch: "Das ist ehrlich gesagt die uninteressanteste Frage daran."

Ein Rundruf in den anderen Parlamentsklubs zeigt: Alle Parteien wollen sich zwar die konkrete Ausgestaltung der SPÖ-Vorschläge ansehen. Aber: Zum Konsumentenschutzgesetz mit den Gruppenklagen dürfte eine Mehrheit ohne ÖVP möglich sein. Die FPÖ war mal dafür, auch die Grünen sind es, sagt Klubobmann Albert Steinhauser. Positiv äußert sich auch Bruno Rossmann für die vier freien Abgeordneten, die künftig für die Liste Pilz kandidieren: "Das war immer ein Thema von Peter Kolba." Der ehemalige rechtliche Leiter des Vereins für Konsumenteninformation tritt bekanntlich für die Liste Pilz an. Auch von Neos-Vizeklubobmann Nikolaus Scherak gibt es die Beurteilung: "ein sinnvolles Mittel". Auch das Verbot von Bankomatgebühren hätte Chancen auf Umsetzung. Aussichtslos scheint dagegen die SPÖ-Mietrechtsreform: Da hat nicht nur die ÖVP, sondern haben auch FPÖ und Neos im Vorfeld bereits abgewunken.

Neos wollen die kalte Progression abschaffen

Aber nicht nur die SPÖ, auch die anderen Parteien wollen die Sitzung im Parlament nutzen, um eigene Themen einzubringen. Der FPÖ-Klub hatte zu Redaktionsschluss noch Sitzung, kündigte nur die "Abrechnung mit Bundeskanzler Christian Kern für sein widersprüchliches Vorgehen bei Ceta/TTIP" an. Die Grünen wollen einen Schulterschluss für ein Verbot des Spritzmittels Glyphosat erreichen. Dazu wollen sie die Negativsteuer für Pensionisten, die auch SPÖ und FPÖ im Wahlkampf fordern, zum Thema machen.

Die Neos wiederum wollen als Konsequenz des Eurofighter-Untersuchungsausschusses mehr Geld für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Außerdem sagt Scherak: "Das Ende der kalten Progression könnte man schon vor den Wahlen beschließen, schließlich fordern das alle in ihren Wahlprogrammen."

Eine Mehrheit dafür dürfte es allerdings trotzdem nicht geben: FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache konnte sich zwar in der Puls4-TV-Konfrontation mit Neos-Chef Matthias Strolz einen gemeinsamen Antrag in Sachen kalter Progression vorstellen. Aber: SPÖ, Grüne und Liste Pilz würden niedrigere Einkommen gegenüber höheren bevorzugen wollen. Und die ÖVP? Auch zu dieser Frage heißt es: "Wir stimmen bei der Sitzung nicht gegen die SPÖ."