Umfragen sehen Tories klar vor Labour. | Premier Brown wird "jede Sekunde für den Sieg kämpfen". | Cameron nennt Brown "geschrumpfte Persönlichkeit". | London. Mit einem deutlichen Rückstand in den Umfragen geht Großbritanniens Premierminister Gordon Brown in den Wahlkampfendspurt. Laut am Wochenende veröffentlichten Umfragen könnten die konservativen Tories bei der Parlamentswahl am Donnerstag bis zu zwölf Prozentpunkte vor Browns Labour Party landen. "Wir sind der Außenseiter", räumte der Premier in einem Zeitungsinterview ein.
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Eine Erhebung des Instituts YouGov für die Zeitung "Sunday Times" sah Labour mit 27 Prozent nur an dritter Stelle hinter den Liberaldemokraten (28 Prozent) und den Tories (35 Prozent). In einer Umfrage des Instituts Angus Reid für die Zeitung "Sunday Express" lag Labour sogar nur bei 23 Prozent - zwölf Prozentpunkte hinter den Konservativen.
Brown sagte der Zeitung "The Observer", er werde "jede Sekunde jedes Tages" für seinen Sieg kämpfen. Doch der Premier muss immer neue Rückschläge hinnehmen: Am Wochenende machten die Zeitungen "The Times" und "The Guardian" klar, dass sie ihn nicht unterstützen würden. "Die Wirtschaft ist in Gefahr. Das Risiko ist Brown", schrieb die "Times" in ihrer Samstag-Ausgabe. Auch der traditionell der Labour Party zugeneigte "Guardian" versagte dem Regierungschef für den Urnengang am 6. Mai die Unterstützung und rief zur Wahl der Liberaldemokraten auf, deren Anführer Nick Clegg bei den TV-Debatten punkten konnte.
Für Gesprächsstoff sorgten weiter Browns abfällige Äußerungen über eine ältere Dame. Gillian Duffy sagte der Zeitung "Mail on Sunday", sie empfinde Mitleid für den Premier. Ihr tue "wirklich leid", was passiert sei, denn Brown habe "mehr zu verlieren" als sie. Der Regierungschef hatte sich am Mittwoch einen schweren Patzer im Wahlkampf geleistet. Nach der Begegnung mit der Seniorin im nordwestenglischen Rochdale hatte er die Frau im Gespräch mit einem Mitarbeiter "engstirnig" genannt. Dabei vergaß der Premier, dass noch das Mikrofon eines Kamerateams an seinem Anzug steckte.
Cameron nennt Brown "geschrumpfte Persönlichkeit"
Der konservative Spitzenkandidat David Cameron nannte Brown am Sonntag eine "geschrumpfte Persönlichkeit", die sich verzweifelt an die Macht klammere. Seine Tories seien bereit, die Verantwortung für das Land zu übernehmen, sagte Cameron der "Sunday Times". Brown gelangte im Jahr 2007 an die Macht, allerdings ohne eine Parlamentswahl. Er folgte Tony Blair nach, der Labour in den Jahren 1997, 2001 und 2005 zu Wahlsiegen geführt hatte.
Cameron warb in der "Sunday Times" für ein klares Regierungsmandat für seine Partei. "Wir müssen sofort mit der Arbeit beginnen", sagte der 43-jährige Oppositionsführer. Eine absolute Mehrheit für die Konservativen wird durch die Liberaldemokraten gefährdet. Rückenwind bekam Cameron von mehr als 100 Unternehmern, die in einem offenen Brief vor einer Koalition aus Liberaldemokraten und Labour warnten. Die Konservativen seien "die einzige Partei, die die Wirtschaft unterstützen will, anstatt sie zu behindern", heißt es in dem bereits am Donnerstag veröffentlichten Schreiben, das laut der britischen Nachrichtenagentur PA bis Sonntag von 110 Unternehmern unterzeichnet wurde.
Clegg drängt auf Wahlrechts-Reform
Liberalen-Chef Clegg drängte in einem Interview der Agentur AP am Samstag auf eine Reform des Wahlrechts in Großbritannien. Das Mehrheitswahlrecht habe die Labour Party und die Konservativen über Generationen hinweg an der Macht gehalten, kritisierte Clegg. Nach britischem Wahlrecht wird jeweils ein Mandat an denjenigen Kandidaten vergeben, der in einem Wahlkreis die einfache Mehrheit erringt. Die Stimmen für die übrigen Bewerber gehen verloren.
Beobachter rechnen damit, dass sich Clegg - sollte seiner Partei nach der Wahl am Donnerstag wie erwartet die Rolle des Königsmachers zukommen - seine Unterstützung bei der Bildung einer Regierungskoalition mit einer Änderung des Wahlsystems bezahlen lässt. Am Sonntag veröffentlichten Umfragen zufolge haben die Liberaldemokraten zuletzt allerdings wieder an Zustimmung verloren. Laut einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts ICM im Auftrag des "Sunday Telegraph" fielen sie sogar auf den dritten Platz hinter Labour zurück.
Der Liberalen-Chef appellierte an die Wähler, die Chance für einen echten Neustart in der seit Jahrzehnten von Labour und Tories dominierten Politik nicht verstreichen zu lassen: "Lasst uns diese einzigartige Gelegenheit, die es für jede Generation nur einmal gibt, nicht vergeben", sagte er dem "Independent on Sunday".
Brown griff Clegg am Sonntag scharf an. Dem 43-Jährigen dürfe man nicht die Regierung anvertrauen, sagte der Labour-Vorsitzende der Zeitung "Observer". "Wir reden hier über die Zukunft unseres Landes, nicht darüber, wer die nächste Game-Show im Fernsehen moderieren darf." (APA/AFP/apn)
Cameron gewinnt letzt TV-Debatte