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Wahlkampfmunition aus Brüssel

Von WZ-Korrespondent Christian Wehrschütz

Europaarchiv
Präsident Tadic (r.) und Vizepremier Djelic halten stolz das unterzeichnete Vertragswerk in die Kameras. Foto: reu

Nationalisten wettern gegen Schmusekurs mit Union. | Sie sehen Kosovo-Unabhängigkeit damit besiegelt. | Belgrad. Von Pontius bis zu Pilatus pilgerten in den vergangenen Wochen pro-westliche serbische Politiker in der EU, um doch noch eine Unterzeichnung des Vertrages über Stabilisierung und Assoziation zu erreichen. Beim Gipfel der EU-Außenminister am Dienstag in Luxemburg war es dann schließlich so weit; im Beisein von Staatspräsident Boris Tadic unterschrieb der stellvertretende Regierungschef Bozidar Djelic den Vertrag.


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Das 75 Seiten starke Dokument etabliert zum ersten Mal institutionelle Beziehungen zwischen Brüssel und Belgrad und regelt vor allem Fragen der Wirtschaft und des Handels.

Seine politische Bedeutung liegt darin, dass der Vertrag knapp zwei Wochen vor den vorgezogenen Parlamentswahlen in Serbien unterzeichnet wurde. Schlagartig sichtbar wird diese Form der Wahlkampfunterstützung für die pro-westlichen Kräfte durch den Umstand, dass nicht nur die Ratifizierung, sondern auch die vorläufige Anwendung des Vertrages ausgesetzt bleiben, bis Serbien vollständig mit dem Haager Tribunal zusammenarbeitet - das war die Bedingung der Niederlande, die monatelang auch die bloße Unterzeichnung abgelehnt hatten.

Dieser Tatsache sind sich natürlich auch die pro-westlichen Kräfte in Serbien bewusst; trotzdem ist für sie allein die Unterschrift das erhoffte positive Signal aus Brüssel, das ihrem Wahlkampf Auftrieb verleihen soll. Die Propaganda-Walze des Wahlbündnisses unter der Führung der Demokratischen Partei von Präsident Boris Tadic setzte denn auch sofort ein. Außenminister Vuk Jeremic sagte, die EU habe sich nun entschieden, Serbien zu akzeptieren; das Urteil darüber, ob Serbien Richtung EU gehen solle, würden die Bürger beim Referendum am 11. Mai fällen.

"Null und nichtig"

Die Parlamentswahl soll somit wie schon die Präsidentenwahl im Februar zu einer Art Referendum über die europäische Zukunft Serbiens hochstilisiert werden. Ob diese Rechnung aufgeht, ist offen, denn pro-westliche Kräfte sowie Nationalkonservative und Nationalisten liegen nach Umfragen etwa gleich auf. Diese letzen beiden Gruppen werden von Ministerpräsident Vojislav Kostunica und Tomislav Nikolic, dem VizeVorsitzenden der Radikalen Partei, angeführt. Beide betonten, die neue Regierung werden die Unterzeichnung des Vertrages für null und nichtig erklären, das Parlament werde das Abkommen nicht ratifizieren. Kostunica, Nikolic und Co behaupten, mit der Unterzeichnung des Vertrages würde Serbien die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen, die von der Mehrheit der EU-Staaten unterstützt wird.

Die Propagandaschlacht für und wider EU, bzw. EU versus Kosovo, wird nach der Unterzeichnung in Serbien nun noch härter werden. Den EU-Gegnern kommt dabei zugute, dass der Verlust des Kosovo real ist, während die Wohltaten des Vertrages nicht nur in weiter Ferne liegen, sondern Belgrad von Brüssel im Grunde auch noch mit dem leeren Löffel gefüttert wurde, weil das Abkommen noch nicht umgesetzt wird. Anderseits können die EU-Befürworter nun ein konkretes Zeichen präsentieren und darauf verweisen, dass Serbien trotz allem ein von der EU gewollter Partner ist.