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"Wahlrecht als Elchtest der Demokratie"

Von Christian Rösner

Politik
Haben sich die Stadtverfassung ganz genau angeschaut: Wolfgang Ulm und Manfred Juraczka.
© rös

ÖVP will vor den Verfassungsgerichtshof gehen, falls SPÖ am Freitag die Anträge von Grünen, FP und VP nicht zulassen sollte.


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Wien. Mit schweren Geschützen ist die Wiener ÖVP am Montag gegen die Wiener Sozialdemokraten in Sachen Wahlrechtsreform aufgefahren: "Dass Initiativanträge von einem Regierungsmitglied im Ausschuss blockiert werden können, hebelt den Grundkonsens aller demokratischen Spielregeln aus. Das sind Wesenszüge, die man eher aus autoritär geprägten Ländern gewohnt ist", polterte Wiens ÖVP-Chef Manfred Juraczka am Montag in einer Pressekonferenz.

Der Hintergrund: Anfang des Monats wollten FPÖ und ÖVP im entsprechenden Landtagsausschuss einen Initiativantrag für die Eliminierung des mehrheitsfördernden Faktors einbringen, der von der SPÖ allerdings mangels eines Berichtes der zuständigen Stadträtin Sandra Frauenberger weder zur Diskussion noch zur Abstimmung zugelassen wurde. "Folgt man dieser Rechtsansicht, kann die Stadträtin einen Initiativantrag an den Wiener Landtag blockieren, womit die verfassungsrechtlich verankerte Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive aufgehoben wäre", meinte ÖVP-Justizsprecher Wolfgang Ulm dazu. Laut dem Juristen habe es so etwas in dieser Form noch nie gegeben.

Ebenso demokratiepolitisch bedenklich sei die Ankündigung des roten Landtagspräsidenten Harry Kopietz, am Freitag in der Landtagssitzung den Zusatzantrag über eine Abstimmung zur künftigen Mandatsermittlung ablehnen zu wollen. Schließlich stehe die SPÖ in dieser Sache im Landtag mit 49 Mandaten den 51 Mandaten von Grünen, FPÖ und ÖVP als Minderheit gegenüber. Man wolle auf jeden Fall am Plan festhalten, diesen Zusatzantrag dann einzubringen, wenn die fix auf der Tagesordnung stehenden höchstgerichtlich angeordneten Wahlrechtsreparaturen (Wahlkartenfrist und Wahlausschließungsgründe) behandelt werden.

Laut Geschäftsordnung können nämlich Zusatzanträge ohne inhaltliche Einschränkung gestellt werden, solange sie mit der Gesetzesmaterie etwas zu tun haben. Und das sei hier eindeutig der Fall, wie auch ein Rechtsgutachten des Verfassungsjuristen Heinz Mayer bestätige. Abgesehen davon, dass die Verbindung zur Gesetzesmaterie nicht unbedingt gegeben sein müsse: "Die Praxis des Wiener Landtages erscheint in diesem Punkt auch eher großzügig zu sein; in seiner 26. Sitzung am 27. Juni 2013 hat der Wiener Landtag einen Abbänderungsantrag in die Beratung und Beschlussfassung miteinbezogen, der bei einem sogenannten Sammelgesetz auf die Erlassung zusätzlicher Regelungen bei einem einzigen Gesetz abzielte", heißt es in dem Rechtsgutachten wörtlich.

Und was die Befugnisse des Landtagspräsidenten anbelangt, so könne dieser Anträge nur in formeller Hinsicht prüfen und nicht nach dem Kriterium, ob er ihm inhaltlich gefalle oder nicht, meinte Ulm unter Berufung auf das Rechtsgutachten.

Deswegen ist die ÖVP auch überzeugt davon, dass die SPÖ im Landtag nicht umhinkommen wird, die Anträge zur Änderung des Wahlrechts zur Abstimmung zuzulassen. Für Juraczka wird der Freitag deshalb auch ein "Elchtest der Demokratie" werden, wie er erklärte. Sollte die SPÖ blockieren, sei der Gang vor den Verfassungsgerichtshof durchaus eine Möglichkeit, so Juraczka weiter. Die ÖVP rechnet auf jeden Fall damit, dass Kopietz bereits am Mittwochnachmittag im Zuge der Präsidiale sein geplantes Vorgehen kundtun wird.

ÖVP unterstützt Grüne

Was den Antrag der Grünen zur Änderung der Geschäftsordnung betrifft, hat die ÖVP angekündigt, diesen am Freitag unterstützen zu wollen. Die Änderung der Geschäftsordnung ist ein Versuch, den Spielraum des Landtagspräsidenten in Sachen Zusatzanträge einzuschränken - die "Wiener Zeitung" hat berichtet. Allerdings meint man bei der SPÖ, dass Änderungen der Geschäftsordnung erst ab dem Zeitpunkt der öffentlichen Verlautbarung bzw. erst ab der nächsten Landtagssitzung gültig sind. Die Grünen sind da anderer Meinung.

Tatsache ist, dass dieser Punkt am Montag auf die Tagesordnung der am Freitag stattfindenden Landtagssitzung gesetzt wurde. Wird die Änderung am Freitag beschlossen und tritt tatsächlich erst ab der nächsten Landtagssitzung in Kraft, dann könnte die SPÖ theoretisch die Landtagssitzungen bis zur Wahl aussetzen - oder die Wahl doch noch vorziehen. "Zuzutrauen ist es den Sozialdemokraten", meint man bei der Volkspartei.

Auf der anderen Seite appelliert die ÖVP an die Vernunft der Roten: "Das Porzellan, das man hier zerschlägt, steht in keinem Verhältnis zu den paar Mandaten, die die SPÖ mit der Wahlrechtsreform verlieren könnte", so Ulm.

Landtagspräsident entscheidet

Hat die SPÖ noch am Freitag die Grünen vor "verfassungswidrigen Tricksereien" im Zusammenhang mit Änderung der Geschäftsordnung gewarnt, zeigte man sich am Montag in Richtung ÖVP zurückhaltender: "Wir nehmen andere Rechtsmeinungen ernst. Faktum ist, wenn es solche gibt, dann gehen wir davon aus, dass der Landtagspräsident darüber entscheidet", sagte ein Sprecher.