Pröll unterstützt SPÖ-Wunsch, das Mehrheitswahlrecht einzuführen. | Die Debatte um die Einführung des Mehrheitswahlrechts ist voll entbrannt. Währende Vizekanzler Josef Pröll den Wunsch von SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter nach einem Mehrheitswahlrecht begrüßte, sprachen sich die Oppositionsparteien dagegen aus.
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"Es freut mich, dass die SPÖ nun bereit ist, diese Diskussion zu führen", sagte der ÖVP-Chef im Interview mit dem Kurier (Sonntag-Ausgabe). Man habe in der ÖVP-Perspektivengruppe vor drei Jahren angeregt, die verschiedenen Modelle zu evaluieren und die Diskussion zu beginnen. "Wir sind noch nicht bei der Entscheidung, ob man das umsetzen kann. Es ist aber wichtig, die Debatte zu beginnen", so Pröll.
Kritik der Opposition
Die Oppositionsparteien FPÖ, BZÖ und Grüne können sich mit dem Vorhaben nicht anfreunden. FPÖ-Obmann Strache deponierte sein "klares und entschiedenes Nein". Es sei "eine Unverschämtheit, auf diese Weise ein rot-schwarzes Proporzsystem auf alle Ewigkeit hin einzementieren zu wollen". Für Strache ist ein Mehrheitswahlrecht "zutiefst undemokratisch". Es sei grotesk, wenn beispielsweise eine Partei, die ein Drittel der Wählerstimmen erhalten habe, plötzlich über eine absolute Mandatsmehrheit verfüge. Wesentliche politische Strömungen wären dann möglicherweise überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten oder nur mehr in einem völlig verzerrten Größenverhältnis, befürchtet der FPÖ-Chef. Für einen aufrechten Demokraten sei das völlig inakzeptabel.
"Immer wenn die Opposition stärker wird, kommt von der Großen Koalition das Verlangen, durch eine undemokratische Wahlrechtsänderung das sinkende Wählervertrauen zu kompensieren", meinte der stellvertretende BZÖ-Obmann Herbert Scheibner. "Diese Diskussion ist einmal mehr ein Eingeständnis mangelnder Lösungskompetenz der Regierung in Krisenzeiten." Für den BZÖ-Vize ist ein Mehrheitswahlrecht "undemokratisch und minderheitenfeindlich", kleine beziehungsweise mittlere Fraktionen würden in ihren Rechten massiv beschnitten.
Auch die Grünen haben den Vorstoß scharf kritisiert. "Die seit vielen Jahren sinkende Zustimmung zu den geschrumpften einstigen Großparteien wollen SPÖ und ÖVP offensichtlich mit einem Mehrheitswahlrecht kompensieren", erklärte der stv. Klubobmann der Grünen, Werner Kogler.
Trotz immer geringer werdender Legitimation durch die Wähler würden sie sich damit gern die Macht auf Dauer sichern. "Das wäre eine grobe Verfälschung des WählerInnenwillens, die die SPÖ und ÖVP zu Mittelparteien geschrumpft haben", so Kogler. Abgesehen davon habe diese Regierung kein Mandat zur Einführung eines Mehrheitswahlrechts. Dafür werde nämlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigt "und diese haben SPÖ und ÖVP aufgrund ihrer Verluste nicht mehr".