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Wahlrecht mit Tücken

Von Katharina Schmidt

Politik

Grüner darf in Oberwart nicht antreten, SPÖ weist Vorwürfe zurück.


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Oberwart. Die Sache klingt einigermaßen skurril. Ein Grün-Politiker, der seit Jahren in der burgenländischen Stadt Oberwart (ungarisch: "Felsöör") politisch aktiv ist, wurde nicht als Kandidat zur Gemeinderatswahl am 7. Oktober zugelassen. Er hat dagegen nun Berufung bei der Bezirkswahlbehörde eingelegt, rechnet aber nicht mit einem positiven Ausgang.

Dass es so weit kommen konnte, ist einer Spezialität des burgenländischen Wahlrechts geschuldet. Neben Niederösterreich ist das Land das einzige in Österreich, in dem ein Nebenwohnsitz ausreicht, um aktives und passives Wahlrecht zu begründen. Sprich: In beiden Bundesländern muss man in einer Gemeinde nicht hauptgemeldet sein, um dort zu wählen oder sich zur Wahl aufstellen zu lassen.

Allerdings finden sich in der burgenländischen Gemeindewahlordnung Tücken, die diese Möglichkeit einschränken. Einen Wohnsitz im Sinne der Wahlordnung hat nur, wer sich an einem Ort in der "Absicht niedergelassen hat, diesen zu einem Mittelpunkt (seiner) wirtschaftlichen, beruflichen, familiären oder gesellschaftlichen Lebensverhältnisse zu machen". Mindestens zwei dieser Kriterien müssen erfüllt sein, damit ein Wahlrecht besteht - der Meldezettel alleine reicht nicht. Das Problem: Wie ein Lebensmittelpunkt nachzuweisen ist, ist im Gesetz nicht definiert - das bestimmt die Gemeindewahlbehörde, die sich aus Mandataren der bereits im Gemeinderat vertretenen Parteien zusammensetzt.

Und genau das wurde nun Wolfgang Spitzmüller zum Verhängnis. Laut eigener Aussage ist der Grüne seit sechs Jahren in Oberwart politisch aktiv, seit vier Jahren arbeitet er dort auch, wobei er derzeit Arbeitslosengeld vom AMS Oberwart erhält. 70 Prozent seiner Einkünfte als Nebenerwerbsbauer erzielt er ebenfalls in der 7000-Einwohner-Stadt, wo er nebengemeldet ist. Seinen Hauptwohnsitz hat er allerdings im nahegelegenen Oberschützen. Die Wahlbehörde habe ihm einstimmig das Wahlrecht verweigert, klagt der Grüne - mit der Begründung, dass er keinen eigenen Haushalt in Oberwart führe und dort auch keiner Arbeit nachgehe. Spitzmüller hat dagegen nun Berufung bei der Bezirkswahlbehörde eingelegt - diese tagt erst am 3. September.

Wählerstrom vonder SPÖ zu den Grünen?

Die Grünen vermuten hinter der Verweigerung des Wahlrechts für Spitzmüller politisches Kalkül. "Wäre ich ein SPÖ-Politiker, hätte ich das Wahlrecht schon lange", glaubt Spitzmüller. Auch der Landtagsabgeordnete Michel Reimon sieht einige Anzeichen dafür, dass die derzeit noch absolut regierende Stadt-SPÖ Angst vor neuer Konkurrenz haben könnte: "Es werden sicherlich SPÖ-Wähler zu den Grünen wechseln." Diese kandidieren das erste Mal in Oberwart.

Tatsächlich verspricht die Wahl einiges an Zündstoff: SPÖ-Bürgermeister Gerhard Pongracz steht in der auslaufenden Legislaturperiode wegen zweier Skandale in der Kritik. Im Jahr 2009 wurde im Zuge einer Prüfung durch die Gemeindeaufsicht festgestellt, dass in den Kassen der Stadt 5,5 Millionen Euro fehlten - offensichtlich hat ein mittlerweile verstorbener Buchhalter jahrelang Vorschreibungen für Gebühren wie Wasser und Abwasser nicht verschickt, aber dennoch Eingänge verbucht. Da sich niemand bereichert habe, ist die Causa für Spitzmüller "ein Zusammenspiel aus Schlamperei und Vertuschung dieser Schlamperei". Gegen Pongracz hat die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt, ein Vorhabensbericht liegt im Justizministerium.

Bürgermeister saß im Aufsichtsrat der Begas

Auch im Zusammenhang mit der Begas-Affäre - den Chefs des ehemaligen Gasversorgers wurden horrende Gagen gezahlt - fiel der Name Pongracz: Er saß im Aufsichtsrat der Begas. Das Gremium habe aber "von privater Bereicherung nichts mitbekommen", sagt Pongracz. Er spricht von einer "fürchterlichen Schweinerei". Was die Gebührenaffäre betrifft, so meint er, man habe die "Vorkommnisse" bereits 2010 bereinigt. Vor den Grünen fürchtet er sich nicht - er rechnet damit, im Oktober seine Absolute halten zu können. Dass Spitzmüller nicht antreten kann, tut ihm "leid, denn Vielfalt unter den Parteien ist gut für die Demokratie".

Die Vielfalt bleibt ohnehin gewahrt: Die Grünen wollen notfalls ohne Spitzmüller antreten. Dem Vernehmen nach liebäugeln auch die in Oberwart gut aufgestellten Piraten mit einem Antritt. Ob die Wahlordnung auch für sie Tücken bereit hält, wird sich zeigen.