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Wahlrechts-NGO nimmt Demokratie unter die Lupe

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Ruf nach Reform des Wahlrechts hin zu Mehrheitswahl. | Alle Wahlen an einem Tag abhalten. | Volksbegehren in Planung. | Wien. Vor der Wahl ist nach der Wahl - erst recht in Österreich. Aus Frust darüber, dass nach der vergangenen Nationalratswahl 2008 mangels sinnvoller Alternativen die selbe rot-schwarze Koalition wie vor dem Urnengang regiert, formierte sich die Initiative Mehrheitswahlrecht.


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Ziel war es, durch eine Reform des Wahlrechts für klare Verhältnisse im Land zu sorgen. Mittlerweile hat die Initiative rund um den früheren Zweiten Nationalratspräsidenten Heinrich Neisser (ÖVP) ihr Arbeitsfeld vergrößert und widmet sich nun neben dem Mehrheitswahlrecht auch der Demokratiereform.

Nun ist Demokratiereform ein ziemlich offener Begriff. Dementsprechend vielfältig sind die Vorstellungen der Mitglieder der Initiative, die sich als zivilgesellschaftliche Gruppe, quasi als Demokratie-NGO, versteht.

Wichtigstes Anliegen bleibt eine Wahlrechtsreform. Die Vorteile des Mehrheitswahlrechts liegen für den Politikwissenschafter Klaus Poier auf der Hand. Während unsere Regierung sich nach der vergangenen Wahl mehr als drei Monate lang Zeit ließ, um sich zu formieren, dauerte es in England gerade einmal fünf Tage. Konkrete Modelle des Mehrheitswahlrechts sollen bei einer Tagung im Herbst vorgestellt und diskutiert werden.

Nach deutschem Vorbild

Ein mögliches Modell wäre das deutsche, wo die Hälfte der Abgeordneten direkt in den Wahlkreisen, die andere Hälfe indirekt über Parteilisten gewählt wird. Dies, da sind sich Politikwissenschafter Norbert Leser und Verfassungsrechtler Theo Öhlinger einig, würde zu einer Personalisierung der Politik und zu einem Aufweichen des Klubzwangs im Parlament führen. Das jetzige Persönlichkeitselement der Vorzugsstimme sei lediglich "Makulatur", befindet Poier.

Wenn man schon das Wahlrecht ändert, dann auch gleich die Wahlpraxis, meint Publizist Hubert Feichtlbauer, für den "die Vielzahl der Wahltermine in Österreich ein Ärgernis" ist. Dadurch würden notwendige Entscheidungen auf Bundesebene laufend hinausgeschoben, derzeit etwa Details zum Budget auf die Zeit nach den Landtagswahlen im Herbst. Feichtlbauer fordert daher einheitliche Legislaturperioden und gemeinsame Wahlen für sämtliche Vertretungskörper an einem "Superwahltag". Sollte sich ein Gremium vorzeitig auflösen, sollte nur für den Rest der Legislaturperiode neugewählt werden.

Aus Sicht der Initiative ist der Zustand der österreichischen Demokratie "beunruhigend". Etwa die Tatsache, dass hierzulande vor allem anlassbezogen diskutiert werde, findet Neisser: "Ein Problem taucht auf und schon ruft man nach einer Änderung", etwa bei der Bundespräsidentenwahl (an der Neisser nichts ändern möchte). Es sei Zeit, "vom Punktualismus weg" zu kommen, so Neisser. Die Zeit sei reif dafür.

Um den Druck zu Reformen zu erhöhen, plant die Initiative "ein Volksbegehren gegen die herrschende Parteienwillkür und für eine Änderung des Wahlrechts", wie Norbert Leser ankündigt. Spätestens in zwei bis drei Jahren soll es so weit sein. Bis dahin will die Initiative jährlich einen Demokratiebefund erarbeiten, um notwendige Reformschritte aufzuzeigen.

www.demokratie-reform.at

www.mehrheitswahl.at