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Überraschungssieg der Opposition - langjähriger Präsident Rajapakse gesteht Niederlage ein.
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Colombo. Es war ein Überraschungssieg: Vor kaum sieben Wochen noch war Sri Lankas neu gewählter Präsident Maithripala Sirisena nur einer der vielen loyalen Geister im politischen Hofstaat von Präsidenten Mahinda Rajapakse. Bis der 63-Jährige nach einem intimen Abendessen mit dem Präsidenten in der prächtigen Temple Tree-Residenz in der Hauptstadt Colombo eine politische Kehrtwende um 180 Grad vollzog. Ausgerechnet der zurückhaltende Sirisena, bisher ein unbedeutender Minister und verlässlicher Sekretär von Rajapakses Partei, forderte den Staatschef in der Präsidentenwahl als Spitzenkandidat der Opposition heraus - nur zwei Tage nachdem der Präsident und sein Minister über Ämterverteilungen parliert hatten.
Am Freitagmorgen gestand Rajapakse seine Niederlage ein und räumte seine Residenz für Sirisena, seinen Nachfolger. Sirisena führte nach Auszählung aller Stimmen mit 51,3 Prozent.
Rajapakse, der seit 2005 den tropischen Inselstaat führte und sich zuletzt per Verfassungsänderung die Möglichkeit einer dritten Amtszeit einräumte, hatte sich lange siegessicher gefühlt. Nach knapp einem Jahrzehnt an der Macht erschien die Opposition des Landes schwach, zerstritten und ohne eine Leitfigur. Rajapakses Herausforderer bei der Wahl 2010 verschwand nach der Abstimmung für über zwei Jahre im Gefängnis. Doch mit Sirisena änderte sich das schlagartig. Rajapakses Überraschungsgegner setzt auf die Unzufriedenheit der Wähler.
Sirisena, der aus einer reichen Farmerfamilie stammt und vehement gegen Tabak- und Alkohol-Konsum kämpft, konnte vor allem bei der konservativen, ländlichen Wählerschaft punkten. Der Politiker spricht kein Englisch und trägt fast ausschließlich traditionelle Kleidung statt westlicher Anzüge.
Rajapakse, der 2010 zum zweiten Mal die Präsidentschaft gewann, konnte damals mit dem Sieg seiner Armee gegen die "Tamil Tiger"-Rebellen punkten, der den 26-jährigen blutigen Konflikt zwischen der singhalesischen Mehrheit und der tamilische Minderheit auf der Insel beendete. Doch sein Ruf als Kriegsheld und Retter Sri Lankas reichte den Wählern diesmal nicht mehr aus.
Sirisena hingegen prangerte Korruption und Nepotismus der Regierung an und traf damit den Nerv der Wählerschaft. Der künftige Staatschef hat klargemacht, dass er den Einfluss Chinas - Sri Lankas größtem Investor - zurückdrängen will. Ein 1,5 Milliarden US-Dollar teures Hafenprojekt der Chinesen will er umgehend rückgängig machen und Sri Lanka wieder enger an die USA und den Nachbarn Indien binden.
Sirisenas kometenhafter Aufstieg von der Hinterbank des Regierungskabinetts zum höchsten Staatsamt erweckt jedoch neben Überraschung auch Misstrauen. Seine Gegner werfen ihm vor, er sei lediglich ein Strohmann der früheren Präsidentin Chandrika Kumaratunga, die ihre Anhänger gebeten hatte, für Sirisena zu stimmen. Die 69-jährige Kumaratunga war 2005 von Rajapakse als Präsidentin abgelöst worden.
Keine Rezepte zur Konflikt-Entschärfung
Während Sirisena außenpolitisch eine klare Kursänderung bedeutet, dürfte es innenpolitisch wenig neue Impulse geben.
Auch über vier Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges mit um die 100.000 Toten bleibt das Land tief gespalten. Der nun scheidende Präsident Rajapakse nutzte seinen historischen Triumph nicht zum Neuanfang und zur Aussöhnung des Landes, sondern zum skrupellosen Ausbau seiner Macht. Er verhinderte die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen der Armee gegen tamilische Rebellen, verfolgte Journalisten und Oppositionelle und nutzte die radikalen buddhistischen Kräfte im Lande, um religiöse Minderheiten - Muslime und Christen - einzuschüchtern. Sirisena hat sich im Wahlkampf nicht dazu geäußert, wie er den Konflikt zwischen den Tamilen und den Singhalesen entschärfen will.