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Wahlsieg eines Konservativen in Nikosia macht Ankara zu schaffen

Von Martyna Czarnowska

Analysen

Die Freude war alles andere als groß. Zwar gratulierte der türkische Staatspräsident Abdullah Gül dem Gewinner der Wahl in Nordzypern umgehend. Doch hätte Ankara lieber jemand anders im Präsidentenamt in Nikosia gesehen als Dervis Eroglu. Die Regierung des türkischen Premiers Recep Tayyip Erdogan hatte nämlich offen den am Sonntag abgewählten Mehmet Ali Talat unterstützt.


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Dass es der Sozialdemokrat nicht geschafft hat, im Amt zu bleiben, und stattdessen der Konservative Eroglu die Führung der nur von der Türkei anerkannten Türkischen Republik Nordzypern übernimmt, bedeutet aber nicht unbedingt schwindenden Einfluss Ankaras auf der geteilten Mittelmeerinsel. Noch immer ist nämlich der wirtschaftlich und politisch isolierte Norden finanziell höchst abhängig von der Türkei, bis heute sind dort noch an die 35.000 türkische Soldaten stationiert. Doch die Hoffnungen vieler türkischer Zyprioten auf eine baldige Wiedervereinigung der Insel schwinden, und die türkischen Einwanderer vom Festland hätten sowieso lieber ihre Rechte gestärkt als eine Lösung, die sie vielleicht zur Rückkehr in ihre alte Heimat zwingen würde.

Genau das versprach Eroglu: In seiner Kampagne betonte er immer wieder, dass die türkischen den griechischen Zyprioten nicht zu viele Zugeständnisse machen und stattdessen auf ihre Rechte pochen sollten. Zwar hat auch der neue Volksgruppenführer deklariert, die Verhandlungen fortzusetzen, die Talat eineinhalb Jahre lang intensiv mit dem griechisch-zypriotischen Präsidenten Demetris Christofias führte. Dass er allerdings die Gespräche zu einem erfolgreichen Ende bringt, wird im Süden bezweifelt. Selbst UN-Diplomaten räumen - hinter vorgehaltener Hand - ein, dass es mit Eroglu schwierig werden könnte. Die Verhandlungen finden unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen statt.

Auch für die Türkei sind die Gespräche essentiell. Sollte die Isolation des Nordens aufgehoben werden, sagt sie, wird sie auch ihre Häfen und Flughäfen für griechisch-zypriotische Schiffe und Flugzeuge öffnen. Dies müsste sie eigentlich schon längst getan haben, will sie eine der Bedingungen für die Fortsetzung ihrer eigenen Beitrittsverhandlungen mit der EU erfüllen. Weil sie sich aber bis jetzt geweigert hat, sind etliche Kapitel der Gespräche mit Brüssel blockiert.

Sollten die Verhandlungen zur Wiedervereinigung Zyperns noch stärker ins Stocken geraten, wird die Motivation, Konzessionen zu machen, wohl auch in Ankara nicht steigen. Und alle Gegner eines möglichen EU-Beitritts der Türkei werden das Zypern-Problem als gute Ausrede benutzen, gegen eine Mitgliedschaft des Landes in der Union zu wettern - selbst wenn die Gründe ihrer Ablehnung andere sind.

Verlierer aber werden, wie es ein Geschäftsmann in Nordzypern formuliert, die türkischen Zyprioten sein. Schon jetzt fühlen sie sich in all den Verhandlungen wie eine Geisel.

Siehe auch:Neue Ungewissheit in Zypern-Verhandlungen