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Wahlsieg flämischer Separatisten betoniert die Spaltung Belgiens

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek aus Brüssel

Analysen

Belgien steht vor den schwierigsten Koalitionsverhandlungen seiner Geschichte, die politische Spaltung des Landes ist präsenter denn je. Denn im größeren Landesteil Flandern im Norden hat die separatistische "Neue Flämische Allianz" (N-VA) einen noch größeren Erdrutschsieg eingefahren als in den Umfragen erwartet.


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Sie kann daher bei der Regierungsbildung nur schwer übergangen werden. Ihre Forderungen nach einer tief greifenden Staatsreform für mehr Kompetenzen für die Regionen und in der Folge nach einer Reduzierung der milliardenschweren Transferleistungen in den Süden sind dort verständlicherweise nicht sehr beliebt. In Wallonien herrschte im ersten Moment Verunsicherung nach dem Wahlergebnis in Flandern. Von einem notwendigen Schulterschluss aller frankophonen Parteien zur künftigen Wahrung der wallonischen Interessen war die Rede.

Denn laut Hochrechungen des flämischen Rundfunks VRT konnte die einstige Splitterpartei N-VA in Flandern gut 30 Prozent der Wählerstimmen hinter sich vereinen. Weit abgeschlagen folgen die Christdemokraten (CD&V) mit 17,5, die Sozialisten (sp.a) mit sechzehn Prozent und die Liberalen (VLD) mit 14,5 Prozent. In Wallonien im Süden konnten die Sozialisten (PS) mit gut einem Drittel der Stimmen einen eindrucksvollen Wahlsieg einfahren, auf den Plätzen folgen die Liberalen (MR) mit 24 und die Christdemokraten CdH mit 16 Prozent.

Diese Werte waren zwar noch nicht das endgültige Ergebnis, zeigten aber schon, wie sich die Kräfteverhältnisse auf Bundesebene in etwa darstellen könnten. Umgelegt auf die föderale Ebene wäre die N-VA mit etwa 18 Prozent deutlich vor der PS mit rund 14 Prozent die stärkste politische Kraft. Die großen Verlierer sind die Gewinner der Wahlen von 2007, die CD&V und der MR. Sie wurden offenbar für den politischen Stillstand seit damals abgestraft. So hatte der gescheiterte CD&V-Premier Yves Leterme schon damals eine Staatsreform versprochen, in den letzten drei Jahren aber nichts weitergebracht. Deutlich verloren hat im Übrigen auch der rechtsextreme Vlaams Belang, der in Flandern aber immer noch gut 12 Prozent erhalten könnte.

Für die Regierungsbildung ist der Ball jetzt bei König Albert II., der wohl einem der Vorsitzenden der größeren Parteien mit der Prüfung von Koalitionsmöglichkeiten beauftragen wird. N-VA-Chef Bart de Wever hatte bereits erklärt, kein Interesse am Amt des Regierungschefs zu haben. Das könnte erstmals seit rund 30 Jahren den Weg für einen Wallonen freimachen - anbieten würde sich PS-Chef Elio di Rupo, der wallonische Sieger. Doch wie die beiden inhaltlich zusammenkommen könnten ist noch rätselhaft. De Wever müsste von seiner bisherigen harten Linie deutlich abweichen, um zu einem Koalitionskompromiss gelangen zu können. Zudem müssten zwecks Mehrheitsbeschaffung noch mindestens drei weitere Parteien aus den beiden Landesteilen eingebunden werden.

Eine andere Variante wäre eine Regierungsbeteiligung aller flämischen Parteien außer der N-VA und dem Vlaams Belang, der aus polithygienischen Gründen von einer Regierungsbeteiligung ausgeschlossen ist. So oder so können sich nur glühende Optimisten vorstellen, dass es noch heuer eine neue Regierung geben wird. Politologen rechnen mit noch längeren Regierungsverhandlungen als das letzte Mal. Damals hatte es zehn Monate gedauert.

Erdrutschsieg für flämische Separatisten