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Wahltag in Stadt und Land

Von Simon Rosner

Politik

Was die Urnengänge in Oberösterreich und Graz für die Parteien im Bund bedeuten.


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Der Wahlsonntag in Österreich bietet nicht nur die Landtagswahl in Oberösterreich. Immerhin drei der zehn größten Städte des Landes wählen am Sonntag ebenfalls ihren Gemeinderat sowie - direkt oder indirekt - ihre Bürgermeister: Graz, Linz und Wels.

"Die Stadtwahlen sind vielleicht sogar spannender", sagt Politologe Peter Filzmaier. Bundespolitisch ist naturgemäß die Landtagswahl in Oberösterreich von größerer Relevanz, zumal sich ein besseres Abschneiden der ÖVP und ein schlechteres der FPÖ im Vergleich zu 2015 direkt auf den Handlungsspielraum der Bundesregierung auswirken würde. Wechselt ein Bundesratmandat in Oberösterreich von der FPÖ wieder zur Volkspartei, hätte Türkis-Grün dort eine Mehrheit.

In normalen Zeiten ist das nicht so eminent, da die Mehrheit im Nationalrat einen im Bundesrat abgelehnten Gesetzesantrag mit einem Beharrungsbeschluss durchsetzen kann. Das mag mühsam sein, weil es eine zeitliche Verzögerung darstellt, ein echtes Hindernis für Regierungsparteien ist es nicht. In der Corona-Pandemie ist aber auch die Zeit ein Faktor. So scheiterte etwa Anfang des Jahres der türkis-grüne Plan des "Freitestens" nach den Weihnachtsferien mittels Massentests am Veto der SPÖ. Ende März blieben dann Novellen des Epidemie- und des Covid-Maßnahmengesetzes im Bundesrat hängen.

Filzmaier bezeichnet die Landtagswahlen in Oberösterreich als "Status-quo-Wahlen". Dass es nach dem Rekordergebnis der FPÖ vor sechs Jahren, inmitten der Fluchtkrise, gewisse Verschiebungen geben wird, ist wahrscheinlich, mit einer Fortsetzung des Arbeitsübereinkommens von ÖVP und FPÖ rechnen aber die meisten Beobachter. Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) hat sich bisher nicht deklariert, er lobte aber die Zusammenarbeit mit seinem Gegenüber, Manfred Haimbuchner. Mit der Politik Herbert Kickls im Bund, sei er, Stelzer, "nicht einverstanden", so etwas wolle man in Oberösterreich nicht, sagte er am Freitag.

Vize-Landeschef Haimbuchner hat im Wahlkampffinale aber ausgerechnet Kickl als Wahlhelfer geholt und ist mit ihm, betont einträchtig, durch das Bundesland getourt. Möglich, dass dies auch dem Antreten der Impfgegner-Liste (MFG) geschuldet war, die der FPÖ Stimmen kosten könnte. Das Match Haimbuchner gegen Kickl sei aber ohnehin medial überbewertet gewesen, sagt Filzmaier.

Blaue Regierungen in Graz, Linz und Wels

Für die FPÖ geht es nicht nur in Oberösterreich um Regierungsverantwortung, sondern auch in Linz und Graz. In Linz stützen die Blauen den roten Bürgermeister Klaus Luger, in Graz den schwarzen Langzeit-Stadtchef Siegfried Nagl. Im einst tiefroten Wels stellt die FPÖ in Andreas Rabl seit 2015 selbst den Bürgermeister.

Diese Regierungsbeteiligungen waren nicht nur Ergebnis guter Wahlresultate, sondern dienten auch der einstigen Parteiführung um Heinz-Christian Strache, die sich mit der Spaltung 2005 an die politische Peripherie begeben hatte, Anschlussfähigkeit zurückzugewinnen. Vor der Nationalratswahl 2017, die die FPÖ im Bund in die Regierung bugsierte, verwies Strache immer wieder auf die Regierungsarbeit in Oberösterreich und damals auch im Burgenland.

Die Situation hat sich geändert. Nach dem Parteichef-Wechsel von Norbert Hofer zu Kickl regiert im Bund wieder blauer Purismus, Kompromissfähigkeit ist für diesen Kurs keine unbedingte Qualifikation. Doch Kickl braucht auch zufriedene Funktionäre. "Und die wollen regieren", sagt Filzmaier.

Umgekehrt ist die Situation für die Grünen, die im Bund mit der ÖVP koalieren und es in Oberösterreich gerne wieder täten. Gerade das Klimathema ist in dem Bundesland mit den höchsten CO2-Emissionen pro Kopf besonders relevant. Im Bund sitzen die Grünen derzeit zwar an den legislativ größeren Schalthebeln, doch ein Gelingen der Energiewende hängt stark von der Umsetzung auf Landes- und regionaler Ebene ab, etwa beim Ausbau von Photovoltaik-Anlagen, von E-Ladestationen und öffentlichem Verkehr.

KPÖ macht Ausgangslage in Graz kompliziert

Auch in Graz drängen die Grünen wieder in die Regierung. In der zweitgrößten Stadt ist alles kompliziert. Es handelt sich um einen vorgezogenen Urnengang, da Bürgermeister Nagl die Wahl im Juni mit dem Argument einer "stabilen Corona-Situation" von 2022 vorverlegen ließ. Stabil ist die Infektionslage nicht mehr, Platz eins für die ÖVP sehr wohl. Es ist aber nicht unmöglich, dass sich eine Mehrheit abseits von ÖVP-FPÖ ausgehen könnte.

Vor einer Bürgermeisterin Elke Kahr von der KPÖ, die von Grünen und SPÖ gestützt werden könnte, warnte auch die ÖVP. Doch das dürfte eher der Mobilisierung gedient haben. Kahr will gar keine Koalition, sondern nur Arbeitsübereinkommen mit anderen Parteien. Die Lust der Grünen und der SPÖ darauf dürfte unter jener angesiedelt sein, eine weitere Amtszeit von Nagl zu ermöglichen.

Für die Neos geht es am Sonntag auf Landesebene um den Einzug in den siebenten Landtag, die SPÖ schielt vor allem nach Wels, wo man den Bürgermeistersessel wieder zurückgewinnen will. Das Ziel, den zweiten Platz im Landtag von der FPÖ zurückzuerobern, scheint wenig realistisch. Gelänge es im Endspurt dennoch, wäre dies für die zuletzt eher gebeutelte Sozialdemokratie ein Überraschungserfolg.