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Wahltermin wackelt

Von Ines Scholz

Politik

Die Sicherheitslage im Irak gerät den USA immer weiter außer Kontrolle. Das Chaos breitet sich mittlerweile nicht nur auf die Kurdengebiete im Norden und die Schiitenhochburgen im Süden aus (vom Zentralirak einmal ganz zu schweigen), sondern hat auch bereits die Hauptstadt Bagdad erfasst.


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Erst am Dienstag riss eine Autobombe im Herzen der Stadt 47 Menschen in den Tod. Kurz danach schlugen Raketen in der "Grünen Zone" ein, dem Regierungsviertel, in dem sich auch die US-Botschaft befindet. Die Einhaltung des Wahltermins 31. Jänner 2005 scheint vor diesem Hintergrund immer fraglicher.

Fast verzweifelt klingen dabei die Hilfsappelle der US-Regierung sowie der irakischen Übergangsregierung an die europäischen Länder und die Staatengemeinschaft, sie mögen doch dem Land militärisch und finanziell unter die Arme greifen. So wandte sich Iraks Interimspräsident Ghazi al-Yawar, unterstützt von NATO-Generalsekretär, Jaap de Hoop Scheffer, mit dem Bittgesuch an das NATO-Bündnis, die versprochene Ausbildung von Iraks Armee möglichst bald zu realisieren. Doch vor allem die Kriegs-Gegner Deutschland und Frankreich sind nicht gerade begeistert; schon gar nicht von der US-Idee, dass das Bündnis die Soldaten im Irak selbst trainieren soll.

Auch in der Frage der möglichst raschen Entsendung einer UNO-Schutztruppe, ein Anliegen, das der stellvertretende Botschafter des Irak bei den Vereinten Nationen, Feisal Amin al-Istrabadi, dem Weltsicherheitsrat gestern vortrug, geht nichts weiter: Kein Land ist bereit, seine Soldaten dem hohen Risiko aussetzen. Die Schutztruppe ist jedoch Voraussetzung dafür, dass die UNO Mitarbeiter in den Irak entsendet, die die für 31. Jänner 2005 geplanten Wahlen vorbereiten sollen. 200 Experten sind laut UNO für die Durchführung des Urnengangs nötig, bisher sind aufgrund der prekären Sicherheitslage aber gerade einmal 35 vor Ort. An eine termingerechte Wahl glaubt daher kaum jemand mehr. Lediglich die inmitten des Wahlkampfes stehende US-Regierung macht sich mit Durchhalteparolen Mut. "Damit kein Zweifel aufkommt: Wir stehen weiter zu diesem Datum", meinte gestern US-Botschafter Danforth.

Grausamer Fund

Die Gewalt im Irak nimmt indes ihren Lauf. In Ramadi, einer Sunniten-Hochburg 100 Kilometer westlich von Bagdad, griffen Aufständische einen US-Konvoi an. Die Bilanz: 12 Tote. In der ebenfalls westlich gelegenen Stadt Suwayrah riss eine Autobombe zwei Menschen in den Tod. Ziel war ein Kontrollposten der irakischen Nationalgarde. Ein besonders grausamer Fund wurde nördlich in Bagdad gemacht. Dort entdeckten Iraker drei enthauptete Leichen samt Köpfen, die in Nylon-Sackerln verpackt waren. Ihre Identität war zunächst nicht bekannt. Das US-Militär zeigte sich dennoch überzeugt, dass es sich bei den Getöteten um Iraker handelt, der arabische Sender Al Jazeera vermutete hingegen Ausländer als Opfer.

Indes wurde eine türkische Geisel nach zwei Monaten freigelassen. Die Catering-Firma, für die er arbeitet, hatte sich bereit erklärt, die US-Armee nicht mehr zu beliefern. Fast zeitgleich wurden im Irak zwei andere Türken entführt. Unterdessen entließ das US-Militär 750 weitere Gefangene aus dem wegen der Folterskandale stark in Verruf geratenen Gefängnisses Abu Ghraib. Damit reduzierte sich die Zahl der Häftlinge von 8.000 (April) auf 2.000.