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Die Opposition übt scharfe Kritik an schadhaften Briefwahlkarten bei der Bezirksvertretungswahl Leopoldstadt.
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Wien. Es war ohnehin schon ein Novum: Der VfGH hob dieses Jahr mit der Bezirksvertretungswahl in der Leopoldstadt erstmals eine Wahl in Wien auf. Grund dafür waren Unregelmäßigkeiten bei der Briefwahlauszählung. Die Wahl muss nun am 18. September wiederholt werden. Vergangenen Freitag wurden abermals Unregelmäßigkeiten bei der bevorstehenden Wahl bekannt, so wurden schadhafte Kuverts für die Briefwahlkarten versandt. Dies könnte in letzter Konsequenz zu einer Wiederholung der Wahlwiederholung führen.
Laut der für die Wahl zuständige MA62 könne man nicht genau sagen, wie viele fehlerhafte Wahlkarten tatsächlich versandt wurden. Es seien aber bestimmt unter 30, sagt die Leiterin der Wahlbehörde, Christine Bachofner, gegenüber der "Wiener Zeitung". Sie ruft die betroffenen Wähler auf, sich telefonisch zu melden, um die Wahlkarte austauschen zu können. Bei den Bezirksämtern im 2. Bezirk wurden vier Hotlines, eine bei der MA62 eingerichtet. Der Austausch könne durch Boten sowohl am Wohnort als auch am Arbeitsplatz geschehen. Von allen betroffenen Wahlkartenwählern habe man die Wahlkarte jedenfalls noch nicht bekommen: "Nur von denen, die sich bisher gemeldet haben", sagt Bachofner. Im Gegenzug dazu seien aber bereits mehrere hundert Wahlkarten ordnungsgemäß bei der Wahlbehörde eingelangt.
Den Fehler sieht Bachofner bei der Druckerei Printcom, welche die Wahlkarten im Auftrag der Magistratsabteilung hergestellt hat. Bei einigen Kuverts hatte sich beim Umschlag ein Klebestreifen am Rand gelöst. Der Stimmzettel könnte so herausrutschen. "Der Kleber ist zu schwach. Die Druckerei weiß, dass die Wahlkarte dem Postweg standhalten muss", sagt Bachofner.
Bis Freitag, den 16. September, kann man noch einen Wahlkartenantrag stellen. Dass bis dahin weitere Fehler passieren, ist aber ausgeschlossen. Nachdem die MA62 am vergangenen Montag telefonisch auf die Mängel aufmerksam gemacht wurde, hat man umgehend die Druckerei informiert. Diese hat daraufhin 20.000 Wahlkarten nachgewalzt und zurückgeschickt, um weitere mangelhafte Aussendungen zu vermeiden.
Trotz dieser Vorkehrungen gibt es folgende Probleme, die letztlich zu einer Aufhebung der Wahl führen könnten: Wenn fehlerhafte Wahlkarten bereits von Wählern unterschrieben und abgesendet wurden. Oder Auslandsösterreicher solche Wahlkarten bestellt haben und diese nicht rechtzeitig ausgetauscht werden können. Die Wahlkarten wären somit ungültig und dieser Schaden könnte - entsprechend der Judikaturlinie des VfGH - einen "Einfluss auf das Wahlergebnis haben".
Bachofner von der MA62 gibt sich pragmatisch: "Die Wahlkarten werden am 19. September von den Bezirkswahlbehörden kontrolliert. Sie prüfen, ob eine Beschädigung am Kuvert so war, dass man den Stimmzettel heraus nehmen konnte." Es gelte das Wahlergebnis abzuwarten. Die Auslandsösterreicher sollten fehlerhafte Wahlkarten nicht benutzen. Die Wahlbehörde würde für die Kosten der Zurücksendung und Neuausstellung via DHL aufkommen: "Das geht sich bis zur Wahl aus", sagt Bachofner.
"Wahlwiederholung realistisch"
Der Verfassungsexperte Theo Öhlinger jedoch hält eine Wahlaufhebung unter folgenden Umständen für realistisch: "Wenn mehr mangelhafte Wahlkarten abgeschickt und diese nicht mehr zurückgenommen werden, als letztlich die Stimmendifferenz zwischen den Parteien ausmacht." Nachsatz: "Schon bei der letzten Wahl in der Leopoldstadt ging es ja um sehr wenige Stimmen."
Tatsächlich trennten die damals zweitstärkste Partei, die Grünen, und die Drittplatzierte FPÖ, lediglich 21 Stimmen. Der VfGH stellte bei der Wahlaufhebung eine Diskrepanz zwischen der Anzahl der in der Auszählung miteinbezogenen Briefwahlkarten und der tatsächlich ausgezählten Stimmen fest. Konkret waren es 23 Stimmzettel zu viel, was daran liegen dürfte, dass auch nicht unterschriebene - und damit ungültige - Briefwahlkarten in die Auszählung gerutscht waren.
Verfassungsexperte Öhlinger ortet die Verschärfung der Wahlgesetze als Hauptproblem für die vermehrten Wahlanfechtungen: "Nach jeder Verletzung werden die Regeln verschärft. Dadurch kann umso leichter eine Verletzung passieren. Der Kreislauf von Wahlanfechtungen wird befeuert." Im Fall der Leopoldstadt sei es fragwürdig, dass der Briefwähler die Kuverts nicht selbst zukleben dürfe. "Wenn er es falsch macht, wäre er selbst schuld und nicht die Behörde", so Öhlinger.
Scharfe Kritik an den Vorfällen kommt von den Oppositionsparteien: Die FPÖ hält es für unerklärlich, dass "noch bevor die Wahl begonnen hat, schon wieder eine Panne geschieht. Da muss man fürchten, dass die Leute bei all der negativen Wahlberichterstattung darauf pfeifen", sagt FPÖ-Landesparteisekretär Toni Mahdalik gegenüber der "Wiener Zeitung". Er zieht die MA62 in die Verantwortung: Diese hätte die Wahldrucksorten kontrollieren und sehen müssen, dass diese schadhaft sind. Angesprochen auf eine mögliche Wahlwiederholung, sagt Mahdalik: "Ich hoffe nicht."
In die gleiche Kerbe schlagen die Neos: "Es ist unfassbar, dass es die Behörden nicht schaffen, eine Wahl ohne Probleme durchzuführen", sagte Landessprecherin Beate Meinl-Reisinger auf einer Pressekonferenz am Montag. Sie präsentierte einen Fünf-Punkte-Plan, der eine erneute Wiederholung der Wahl verhindern soll. Dieser sieht unter anderem eine Umschichtung des Werbebudgets vor. Statt der Bewerbung von Politikern sollen mit dem Geld die Wähler über die Panne informiert werden. Außerdem brauche es einen bei der MA62 angesiedelten "Krisenstab", um möglichst alle fehlerhaften Wahlkarten austauschen zu können.
Die Wiener SPÖ nennt die Forderung nach mehr Information "etwas schizophren". Denn die Neos hätten im Ausschuss gegen das Budget für Wahlinformationsarbeit gestimmt, sagt Mediensprecher Jörg Neumayer. Er ortet "politische Instrumentalisierung". Die MA62 stelle die "ordentliche Umsetzung" der Bezirksvertretungswahl jedenfalls sicher.