In der Leopoldstadt hat das grün-blaue Match die SPÖ nach 70 Jahren entthront. Die Grünen stellen den Bezirksvorsteher.
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Wien. Ihr zittern noch immer die Knie, sagt sie. Uschi Lichtenegger, die amtierende Bezirksvorsteher-Stellvertreterin, und ihr Team haben die Wahlwiederholung der Leopoldstädter Bezirksvertretungswahl mit einem Erdrutschsieg gewonnen. Die 55-jährige Familienhelferin, die seit mehr als 15 Jahren bei den Grünen und im 2. Bezirk verwurzelt ist, wird neue Bezirksvorsteherin. Sollte – und das "sollte" spielt eine bedeutende Rolle – der Urnengang nicht erneut angefochten werden.
Lichtenegger wirkt auf den ersten Blick schüchtern, sie drängt sich nicht gerne in den Mittelpunkt, wie es scheint, gibt knappe Antworten und spricht ein wenig leise. Abseits der Menge, in einer Ecke im Vorraum der Bezirksvorstehung, gibt Lichtenegger nach der Bekanntgabe des vorläufigen Wahlergebnisses ihre ersten Interviews. "Ich freue mich, es ist überwältigend", kommentiert die grüne Frontfrau. Wie war Lichteneggers erste Reaktion, als die erste Hochrechnung bekannt gegeben wurde? "Ich habe es nicht glauben können", sagt sie. Was anders wird, wenn sie das Ruder im Bezirk übernehmen wird, kann Lichtenegger noch nicht sagen. "Das weiß ich noch nicht. Heute wird gefeiert, morgen wird gearbeitet. Ich werde mit allen Fraktionen reden. Mir ist ein gemeinsamer Weg mit allen Leopoldstädterinnen und Leopoldstädtern wichtig", so Lichteneger, die den Wahlsieg darauf zurückführt, dass "wir die richtigen Antworten hatten". Ob der jetzige SPÖ-Bezirksvorsteher Karlheinz Hora als ihr Stellvertreter nachfolgt? "Das müssen Sie die SPÖ fragen", sagt Lichtenegger.
Mit einem Plus von elf Prozent und mit einem Stimmenanteil von 32,2 Prozent haben die Grünen die Macht der SPÖ in der Leopoldstadt beendet. Das vorläufige Ergebnis der Wahlwiederholung der Leopoldstädter Bezirksvertretungswahl, das nach der Auszählung der 104 Wahlsprengel bekannt gegeben wurde: Grüne 32,24% (+11,46%, 20 Mandate), 28,83% (-13,46%, 18 Mandate), FPÖ 24,94% (+ 3,94%, 15 Mandate), ÖVP 5,93% (-- 5,18%, 3 Mandate) und Neos (5,02%, 3 Mandate)
Die SPÖ stellt den Bezirksvorsteher im 2. Bezirk seit 1945 – seit April 2013 steht Karlheinz Hora, ehemaliger SPÖ-Gemeinderat und SPÖ-Verkehrssprecher, dem Bezirk vor. Horas schlimmste Befürchtung ist am Wahltag Realität geworden. Die SPÖ ist im grün-blauen Match untergegangen.
"Es ist das eingetreten, wovor ich gewarnt habe. Die Grünen haben gesagt, es geht bei der Wahlwiederholung nur um den zweiten Bezirksvorsteher-Stellvertreter. Ich habe die ganze Zeit davor gewarnt, dass es nicht nur um den zweiten Bezirksvorsteher-Stellvertreter geht, sondern auch um den Bezirksvorsteher. Es war eine spezielle Situation und das erste Mal in Wien, dass ein Bezirk gesondert gewählt hat. Die Verunsicherung der Wähler war sehr groß."
Karlheinz Hora ist als Bezirksvorsteher Geschichte – auch, wenn die Wahlkarten und die Stimmen der nichtösterreichischen EU-Bürger erst am Montag ab 9 Uhr ausgezählt werden. Anschließend wird das vorläufige Endergebnis bekannt gegeben, ein offizielles amtliches Endergebnis liegt erst am 26. September 2016 vor, wenn ein Beschluss durch die Stadtwahlbehörde erfolgt ist.
"Wir konnten es nicht schaffen, die Wähler zu informieren, um was es wirklich geht", sagt Hora. Was hätte die SPÖ anders machen können? "Wir hätten nichts anders machen können."
Ob Hora zukünftig den Vize im Bezirk geben wird, möchte er nicht beantworten. "Ich will dem Parteigremium nicht vorgreifen. Ob ich ein Mandat haben werde, das wird sich zeigen", sagt er.
Hora ist seit 45 Jahren in der Sozialdemokratie politisch aktiv. "Ich werde die SPÖ nicht verlassen. Ich habe in den letzten 16 Jahren im Gemeinderat wie auch in der Leopoldstadt mitgestalten dürfen. Es macht mir Spaß, wenn ich gestalten darf. Aber Sesselkleber bin ich auch keiner. Ich werde mich entscheiden und mich mit meinen Freunden und Freundinnen entsprechend beraten." In den Polit-Ruhestand geht Hora nicht. "Nein, vielleicht in den Mandats-Ruhestand. Und falls, dann verrate ich es nicht hier und jetzt."
Die FPÖ-Wahlparty
Ortswechsel: In einem Lokal neben der Bezirksvorstehung feiert die FPÖ ihre Wahlparty. Rot-weiß-rote Fahnen auf den Tischen – hie und da ernste Gesichter statt Feierstimmung, obwohl die FPÖ fast vier Prozent dazugewinnen konnte. "Wir haben die sportliche Ansage gemacht, Erster zu werden. Das Ergebnis, dass die Grünen Platz Eins machen werden, hat niemand erwartet", sagt Wolfgang Seidl, der Klubobmann der Leopoldstädter Freiheitlichen.
Die FPÖ hatte, nachdem beim ersten Wahlgang am 11. Oktober 2015 Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Wahlkarten bekannt wurden, die Wahl beim Verfassungsgerichtshof angefochten und hatte Recht bekommen. Der Grund: 23 Wahlkarten wurden damals zu viel ausgezählt, der Stimmenunterschied zwischen den zweitplatzierten Grünen und der drittplatzierten FPÖ lag im Oktober 2015 bei 21 Stimmen. Deshalb musst die Wahl wiederholt werden.
Jetzt, am Abend der Wahlwiederholung hofft Seidl, dass jetzt alles funktionieren würde. "Nichtsdestotrotz, wenn wieder etwas schiefläuft, dann bin ich der Meinung, dass wir aus demokratiepolitischen Gründen das Wahlergebnis anfechten müssen", meint er.
Der Austausch, der im Vorfeld wie bei der Bundespräsidentenwahl schadhaften Wahlkarten, habe laut Seidl hervorragend funktioniert. "Ob es richtig war, die Wahl in der Leopoldstadt nicht zu verschieben? Ich glaube, ja. Ich hoffe, die Auszählung der Briefwahlstimmen funktioniert diesmal wirklich."
Noch-Bezirksvorsteher Karlheinz Hora geht davon aus, "dass die Bezirkswahlbehörde alles daran setzt, dass es keine Verfehlungen und damit für keine Fraktion Anfechtungsgründe gibt." "Ich halte es nicht für vernünftig, so lange zu wählen, bis für irgendjemanden das richtige Ergebnis rauskommt", meint Hora.
In die gleiche Kerbe schlägt der grüne Landessprecher Joachim Kovacs: "Jetzt haben wir das Ding gewonnen, jetzt sind wir Bezirksvorsteherin. Ich gehe davon aus, dass das Ergebnis hält", sagt Kovacs, der mit seinen Parteikollegen in einem von der Bezirksvorstehung nahegelegen Lokal feiert.
Auch die SPÖ bekommt Beistand von der Landespartei. Ob die SPÖ-Granden hinter der verschlossenen Tür in der Bezirksvorstehung tagen oder trauern, weiß man nicht so recht. An der Spitze ist die Leopolstädter Bezirksparteivorsitzende und Wiens Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely. Hat die Leopoldstadt zu wenig Unterstützung von der Landespartei bekommen? "Nein, das wäre jetzt völlig falsch, das auf die Landespartei abzuschieben. Es war eine spezielle Situation und keine gmahde Wiesn", sagt Wehsely, die Bezirksparteivorsitzende bleibt. Hora geht, das ist fix – wann, steht noch nicht fest, auch nicht, wann Uschi Lichtenegger als neue Bezirkschefin angelobt wird. Ende September findet die letzte Bezirksvertretungssitzung in alter Konstellation statt. Dann wird aus Rot Grün.