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Österreichischen Kreditinstituten in Ungarn drohen hohe Verluste.
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Budapest. Angesichts der Parlamentswahl im Frühjahr 2014 hat Ungarns rechtsnationale Regierung die Banken erneut unter Druck gesetzt und die Situation eines großen Teils der Devisenschuldner erleichtert. Damit soll der Anschein erweckt werden, dass ein großes soziales Problem aus der Welt geschafft werde: Etwa eine Viertelmillion Ungarn haben Kredite zum Wohnungskauf aufgenommen, und zwar in Devisen wegen der geringeren Zinsen. Doch legte der Schweizer Franken gegenüber dem Forint seit 2008 rund 70 Prozent an Wert zu.
Das Problem trifft weite Teile der ungarischen Mittelklasse, die im Wahlkampf von Ministerpräsident Viktor Orban vorrangig umworben wird. Der Vorstöße gegen die Banken passen auch gut zu Orbans Diktum vom wirtschaftlichen "Freiheitskampf", zu dessen Feindbild die ausländischen Kreditinstitute gehören.
Im Eilverfahren peitschte die Regierungspartei Fidesz dank ihrer Zweidrittelmehrheit nun eine Neuregelung durch das Parlament, der zufolge der Kreis der Schuldner, die ihre Kredite zu günstigen Konditionen zurückzahlen können, erheblich erweitert wird. Zugleich wurde die für den Winter übliche Sperre für eine Enteignung von Immobilien zahlungsunfähiger Schuldner auf Ende April 2014 verlängert.
Wie groß der Schaden für die Banken ist, sei noch nicht abzuschätzen, sagte Erika Teoman-Brenner, Leiterin der Budapester Vertretung der Österreichischen Wirtschaftskammer, gegenüber der "Wiener Zeitung". Anscheinend seien aber die schlimmsten Befürchtungen nicht eingetroffen. Österreichs Banken beherrschen etwa 20 Prozent des ungarischen Markts, die vergebenen Kredite umfassen um die 20 Milliarden Euro. Zunächst hüllten sie sich in Schweigen, Reaktionen auf die Neuregelung blieben vorerst aus.
Im September hatte Orban die Banken ultimativ aufgefordert, bis zum 1. November den Devisenschuldnern entgegenzukommen, anderenfalls würde die Regierung einschreiten. Ungarns Bankenverband hatte daraufhin einen unterbreitet, der von der Regierung abgelehnt wurde.
Angesichts der komplizierten Neuregelung dürften die Banken nun vor schwierigen Rechenexempeln stehen. Konkret sollen all jene Kreditnehmer, die nicht mehr als 180 Tage mit der Rückzahlung im Verzug sind, ihre Schulden zu einem fixen Wechselkurs begleichen dürfen. Das wären 180 Forint für einen Schweizer Franken und 250 Forint für einen Euro - bedeutend weniger als der reale Kurs. Am Dienstag schwankte der Euro zwischen 295 und 297 Forint. Der Kreis der Begünstigten wurde hiermit erweitert, denn bisher galt diese Regelung nur für jene, die weniger als 90 Tage im Verzug waren und deren Kredit nicht mehr als 20 Millionen Forint (68 000 Euro) umfasste.
Ein Griff in Fidesz-Trickkiste
Die Verluste, die aus der Differenz zum realen Wechselkurs entstehen, sollen je zur Hälfte vom ungarischen Staat und von den Banken finanziert werden. Dies galt auch bisher. Neu ist allerdings hierbei ein Trick: Der Staat bezahlt seinen Anteil nur, wenn die Banken vorher einen Teil der Schulden erlassen haben. Das heißt: Die Schulden eines Kreditnehmers dürfen nicht mehr als 95 Prozent des Werts der Immobilie ausmachen, die dem Schuldner als Obdach dient - anderenfalls zahlt der Staat nicht. Für eine solche Reduzierung der Schulden sollen die Banken Steuervergünstigungen bekommen. Damit werde - so die Logik des Fidesz-Fraktionsvorsitzenden Antal Rogan - ein Anreiz zum Schuldenerlass geschaffen. Dies komme sowohl den Banken als auch den Schuldnern zugute.
Mehr als 150.000 Familien seien mit ihren Hypotheken-Kreditschulden in Devisen um mehr als drei Monate in Verzug. Sie seien aber fähig und gewillt, diese Schulden zu begleichen, noch gebe es kein Verfahren zur Beschlagnahmung ihrer Immobilien, sagte Rogan. Vor allem ihnen kome die Neuregelung zugute.
Als Schreckgespenst stand ursprünglich die Befürchtung im Raum, dass mit einem Schlag alle Devisenkredite in Forint umgewandelt werden könnten. Davor hatte Mihály Patai, Vorsitzender des ungarischen Bankenverbandes, eindringlich gewarnt, zumal dies einen Bumerang-Effekt hätte haben können: eine dramatische Schwächung des Forint. Skeptisch hatte sich dazu auch ein wichtiger wirtschaftspolitischer Weggefährte Orbans geäußert, Notenbank-Chef György Matolcsy, früher Wirtschaftsminister und Architekt der "unorthodoxen" Wirtschaftspolitik des Regierungschefs. Dieser fragwürdige Plan ist nun offenbar vom Tisch.