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Wahrheit und Wirklichkeit

Von Andreas Rauschal

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"Es erscheint mir als ein politisches Gebot der Stunde, Mut zur Wahrheit zu beweisen. Zur Wahrheit, was die wirklichen Probleme in unserer Gesellschaft betrifft." - Allein, wie kommt man der Wahrheit über die Wirklichkeit näher? Bauernbundpräsident Fritz Grillitsch zeigte sich ratlos. Er lud Thilo Sarrazin nach Graz, wo das umstrittene SPD-Mitglied von 700 Gästen freundlich empfangen sowie von Demonstranten kritisch beäugt wurde.

Der Mann, der die Integrationsfähigkeit bestimmter Migrantengruppen ebenso bezweifelt wie ihre Intelligenz, der Hartz-IV-Empfängern zynische Spartipps gibt und ein Kernproblem der Gesellschaft im mangelnden Fortpflanzungswillen der "Oberschicht" ortet, blieb in der "ZiB2" nüchtern. Die fehlende Erregung verband ihn dabei ebenso mit den oberen Zehntausend wie vermutlich auch sein Hang zur Selbstüberzeugung: "Wichtig ist, dass man jetzt über viele Fragen offener redet. Was sich daraus ergibt, wird man abwarten müssen." Schließlich wurden schon ganz andere Kaliber als sein Buch "Deutschland schafft sich ab" erst später auch als solche erkannt: "Da erlauben Sie mir jetzt einen kleinen Scherz. Als Karl Marx ,Das Kapital veröffentlicht hat, da hatte sich ein Jahr danach auch noch nicht viel getan." Kein Scherz, dass Sarrazin die Rolle der Frau letztlich wieder auf jene der Gebärmaschine reduzierte. Ob man sich über diese Aussage oder doch den Umstand eher erregte, dass das Gespräch an dieser Stelle ohne Gegenfrage beendet wurde, blieb dabei ebenso rätselhaft wie eines: die wirkliche Wahrheit hinter Sarrazins Thesen.