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Wahrheit wird unerheblicher

Von Christina Böck

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Man kennt das ja. Nachher heißt es immer: Das hätte ich mir nie gedacht! Und bei einem Komiker, der in den 80er Jahren in so ziemlich jedem Wohnzimmer als Inbegriff des lustigen, großzügigen Vaters zu Besuch war, ist es eben noch um ein Eckhaus unvorstellbarer. Vielleicht ist das der Grund, warum sich US-Medien derzeit so an den Vorwürfen an Bill Cosby weiden. Wie berichtet, haben sich mehrere Frauen zu Wort gemeldet, die von sexuellen Übergriffen von ihm berichten, die vor Jahrzehnten passiert sein sollen. Bill Cosby weigert sich, dazu Stellung zu nehmen. In den Medien wird ihm das quasi als Schuldeingeständnis ausgelegt, mitunter wird gar offen zur öffentlichen Ächtung aufgerufen.

Von der Ferne betrachtet, könnte man meinen, dass die Strategie, die Cosby und seine Anwälte fahren, nicht die geschickteste ist. Warum dementiert er denn nicht, wenn die Vorwürfe nicht stimmen sollten? Warum klagt er nicht wegen übler Nachrede?

Näher betrachtet sind das naive Fragen. So wie die Frauen nicht mehr beweisen können, dass Cosby sie vergewaltigt haben soll, kann er nicht das Gegenteil beweisen. Was auch immer Cosby, ob schuldig oder nicht, nun tut, wird falsch sein. Deswegen wollen die Anwälte das mit der Vogel-Strauß-Methode aussitzen. Man nimmt wohl an, dass das dem langfristigen Image weniger schadet. Gerade in solchen Situationen werden Berater neu lernen müssen, damit umzugehen, dass durch die Nachrichtenschwemme über die Sozialen Medien viel mehr Menschen sich viel rasanter eine Meinung bilden, ohne sich eingehend mit der Materie zu befassen.