Missethon sagt SPÖ den Kampf um Platz eins an. | Mojzis: Alle Kraft für die Wählermobilisierung. | "Wiener Zeitung": Hand aufs Herz, wer von Ihnen hätte vor dem 1. Oktober geglaubt, die ÖVP hat einen Reformbedarf, dass es einer Perspektivengruppe bedarf?
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Michaela Mojzis: Dieses Ergebnis habe ich tatsächlich nicht vorausgesehen. Dass es in einer Partei wie der ÖVP aber immer etwas zu tun gibt, das war mir schon vorher auch bewusst.
Hannes Missethon: In der Steiermark haben wir schon geahnt, dass es eng werden könnte, aber es hat uns keiner geglaubt. In konservativen Parteien . . .
... konservativ oder doch eher christlich-sozial?Missethon: . . . ich bleibe bei konservativ. In Parteien wie der ÖVP steht man stets vor der Herausforderung, die ganze Breite unter einen Hut zu bringen. Sozialistische Parteien haben hier ganz andere, zentralistischere interne Organisationsstrukturen.
Sie nennen die SPÖ hartnäckig sozialistisch, dabei hat sie sich längst in sozialdemokratisch umbenannt.Missethon: Dass sich die SPÖ nach dem Fall des Eisernen Vorhangs das demokratische Mäntelchen umgehängt hat, ist für mich eine reine Propagandamasche. Man muss sich ja nur die Sozialistische Internationale anschauen, dort ist alles beim alten geblieben: Freundschaft, Genossen und so weiter.
Die Basisfunktionäre beider Großparteien haben Probleme, sich mit dieser Koalition anzufreunden - zumal man sich gegenseitig nicht wirklich gern hat. Aber: Der Wähler pflegt Parteien, die intern streiten, zu bestrafen, und er tut dies auch mit Regierungen, die ständig streiten.Missethon: Einspruch! Es stimmt nicht, dass unsere Basis gegen die Koalition ist - zumindest nicht, seit das Regierungsübereinkommen fest steht. Im Unterschied zu SPÖ gibt es bei uns keinen offenen Widerspruch der Basis.
Mojzis: Das zeigt sich auch darin, dass wir einen überdurchschnittlichen Zulauf an neuen Mitgliedern verzeichnen.
Sind Parteimanager nicht insgeheim froh, dass ständig über das schlechte Klima in der Koalition geredet wird? Immerhin müssen sie das eigene Parteiprofil schärfen.Missethon: Man muss schon ehrlich bleiben: Gut tun diese ständigen Scharmützel der Regierung nicht - aber man muss auch sehen, wer hier zündelt. Die SPÖ wird jetzt von ihren Wahlversprechen eingeholt. Ich sage immer: Das Schlimmste, was man den Linken antun kann, ist, sie in die Lage zu versetzen, die eigenen Versprechen umsetzen zu müssen. Die SPÖ sucht noch nach ihrer Grundordnung - beispielsweise wer hinter Gusenbauer die Nummer zwei sein soll.
Welche Lektionen zieht die ÖVP aus dem letzten Wahlkampf?Mojzis: Entscheidend ist, möglichst viele Menschen in eine Kampagne miteinzubeziehen. Wenn das Gefühl besteht, das wird schon gut gehen oder ich werde ohnehin nicht gebraucht, funktioniert das nicht. In anderen Worten: Alle Anstrengung in die Mobilisierungskraft investieren.
Leicht gesagt, schwer zu tun.Mojzis: Wir müssen möglichst viele Dialogmöglichkeiten schaffen - und zwar mit Anhängern und Kritikern gleichermaßen. Dass das funktionieren kann, zeigt der Perspektivenprozess unter Josef Pröll, hier beteiligen sich schon mehr als 5000 Personen via Internet. Es geht darum, die Kommunikation zu verbreitern und zu vertiefen. Der nächste Schritt ist, die Möglichkeiten für die Beteiligung an Politik zu schaffen. Dabei müssen sich die Strukturen an die Bedürfnisse der Menschen anpassen und nicht umgekehrt.
Ist die bündische Struktur der ÖVP da nicht eine Last?Mojzis: Ich bin ein Fan der Bünde und bis auf Jugend und Senioren - für die einen bin ich zu alt, für die anderen noch zu jung - engagiere ich mich auch in allen. Aber natürlich ist es schwierig, eine solche Vielfalt zu managen.
Und wie ist das jetzt mit dem angeblich antiquierten Familienbild der ÖVP?Missethon: Wir leben in verschiedenen Familienformen! Wilhelm Molterer lebt in einer klassischen Familie, Christine Marek ist Alleinerzieherin, Andrea Kdolsky ist kinderlos verheiratet und ich bin wiederverheiratet und sowohl ich als auch meine jetzige Frau haben aus unserer ersten Ehe je zwei Söhne. Unsere Leitorientierung bleibt die klassische Familie, wir müssen aber für andere Formen des Zusammenlebens offen sein und jede Form von Familie fördern.
War auch der Vorwurf der schwarzen Allmacht nur von außen aufgedrückt? Die ÖVP hat jedenfalls in den letzten Jahren zahlreiche Machtpositionen verloren.Missethon: Ja, das stimmt: Die Republik ist derzeit wahrscheinlich so rot wie nie zuvor. Diese Debatte werden wir zu führen haben. Das gilt auch für die kommenden Wahlkämpfe. Die SPÖ hat mit Dirty campaigning zahlreiche Erfolge gefeiert und ich bin überzeugt, dass das erst der Anfang einer Entwicklung war. Es war die klare Strategie der SPÖ, unsere Wähler zu verunsichern - und das ist auch gelungen. Hier werden wir reagieren müssen.
Also wird der nächste ÖVP-Slogan "Gusenbauer hat gelogen" lauten?Missethon: Das meine ich damit gar nicht. Die Konsequenz kann nicht sein, diesen Stil zu kopieren.
Mojzis: Warm anziehen, ist mein Zugang.
Missethon: Wir werden den Zweikampf mit der SPÖ suchen, weil wir überzeugt sind, in der Umsetzung von Politik besser zu sein.