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Auswirkungen: hoch, Wahrscheinlichkeit: niedrig. So lautet die Einschätzung der US-Denkfabrik Council on Foreign Relations für einen Konflikt im Ostchinesischen Meer zwischen China und Japan für das Jahr 2014.
Mit seinem Besuch im Yasukuni-Kriegsopfer-Gedenkschrein in Tokio hat Japans Premier Shinzo Abe seinen Beitrag geleistet, einen solchen undenkbaren Konflikt ein klein wenig wahrscheinlicher werden zu lassen. Denn Japans Kriegsverbrechen von 1937 bis 1945 sind bis heute nicht aufgearbeitet, einen Kniefall - wie von Willy Brandt vor einem Denkmal der Opfer deutscher Verbrechen in Warschau - hat es von japanischer Seite nie gegeben. Die Geschichts-Sensibilität in China ist hoch und wird von der KP-Führung in Peking auch genährt. Und so ist beispielsweise das Massaker von Nanjing, bei dem 200.000 Zivilisten und Kriegsgefangene niedergemetzelt worden, tief ins kollektive Gedächtnis der Chinesen eingegraben.
Die Geschichte führte in jüngster Vergangenheit immer wieder zu Verstimmung zwischen beiden Ländern: 2005 kam es nach der Veröffentlichung neuer Schulbücher in Japan, in denen Japans Verantwortung für Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkriegs heruntergespielt wurde, in China zu teils heftigen anti-japanischen Protesten. Jedes Jahr von 2000 bis 2006, in dem der frühere Premier Koizumi Junichiro den Yasukuni-Schrein besuchte, gab es geharnischten Protest aus Peking. China (aber auch Korea, das ebenfalls unter Japans Besatzung litt) stößt vor allem eines sauer auf: Im Schrein werden auch die bei den Kriegsverbrecherprozessen von Tokio zum Tode verurteilten Offiziere verehrt. Der rechtskonservative Shinzo Abe ist nun nach sieben Jahren der erste Premier, der im Schrein betete. Er tat dies aus Kalkül: Er will Japans pazifistische Verfassung novellieren und die Selbstverteidigungsstreitkräfte modernisieren und aufrüsten. Neue Spannungen mit China, die er mit dem Schrein-Besuch heraufbeschwört, sind Abe bei diesen Bestrebungen von Nutzen. China wiederum wird selbstbewusster, dehnt peu à peu seine Einflusssphäre aus. Chinesische Medien fordern nun, China müsse "in exzessiver Weise" auf Abes Besuch im Schrein reagieren.
Es bleibt zu hoffen, dass sich die Experten in Washington mit ihrer Einschätzung der Wahrscheinlichkeit eines Konflikts zwischen Japan und China für 2014 mit "niedrig" nicht irren.