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Experten warnen in Wien vor Folgen von Sanktionen gegen Russland für europäische Wirtschaft und österreichische Banken.
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Kiew/Wien/Washington. Die derzeit in Washington stattfindende Frühjahreskonferenz von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank wird von der Ukraine-Krise überschattet, vor allem die Konjunkturaussichten für Russland haben sich verdüstert. Die Ukraine selbst beschäftigt den Fonds, weil das Land nach der Abkehr von Russland dringend Geld braucht: Der IWF soll mit Kapital einspringen, um eine Staatspleite zu verhindern. Zuletzt war ein mögliches Finanzvolumen von 14 bis 18 Milliarden US-Dollar (10,2 bis 13,1 Milliarden Euro) genannt worden. Ein Hilfsprogramm soll allerdings an strenge Reform-Auflagen geknüpft werden, heißt es aus Washington. Noch dazu, da die Hilfe bei einigen IWF-Mitgliedsländern auf Kritik stößt: Zu viel IWF-Geld fließe nach Europa, auf nahezu 90 Prozent belief sich zuletzt der Anteil der Fonds-Hilfen, die nach Griechenland, Portugal und Irland flossen. Ein Fonds-Vertreter hält gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters dagegen: "Die Ukraine gehört ja nun nicht in die gleiche Kategorie wie diese Euro-Krisenländer."
Der Ökonom Peter Havlik vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche wies bei einer Diskussionsveranstaltung der Fachhochschule des bfi Wien darauf hin, dass der Außenhandel der Europäischen Union mit der Ukraine keine große Bedeutung hat: Nur 0,5 Prozent (23,8 Milliarden Euro) der EU-Exporte gehen in die Ukraine, die Importe aus der Ukraine in die EU machen überhaupt nur 0,3 Prozent (14,6 Milliarden Euro) der EU-Gesamtimporte aus. Importe aus Russland in die EU belaufen sich hingegen auf 4,7 Prozent (213,7 Milliarden Euro, davon 163,1 Milliarden Euro für Öl- und Gasimporte).
Die Ökonomin Elisabeth Springler von der FH Wien warnte vor dem bei den Banken schlummernden Ukraine-Risiko: Das musste zuletzt die ukrainische Raiffeisen-International-Tochter Aval spüren (798 Filialen, 13.000 Beschäftigte), die 32 Filialen auf der umstrittenen Halbinsel Krim schließen musste. Raiffeisen International hat Interessen sowohl in der Ukraine (eben Aval) als auch in Russland: Von den 557 Millionen Euro Jahresüberschuss im Jahr 2013 stammen 469 Millionen aus Aktivitäten in Russland. Springler rät zu einem Überdenken der Banken-Strategie in der Region. Springlers Schlagwörter: vorsichtiger, nachhaltiger.
Lose-lose?
Gerhard Mangott, Politikwissenschafter an der Uni Innsbruck, warnt davor, weiter an der Sanktionenschraube zu drehen. Die Krim sei verloren, ein "fait accompli" - was nichts am völkerrechtswidrigen Akt der Annexion ändere. Weitergehenden Wirtschaftssanktionen hätten negative Auswirkungen auf die ohnehin noch fragile europäische Wirtschaft. Die Annexion der Krim durch Russland hatte zuletzt auch Konsequenzen für den schwedischen Lkw-Bauer Volvo, der ein Militär-Projekt mit dem russischen Panzer-Hersteller UVZ auf Eis gelegt hat. Die Gespräche mit Uralvagonzavod (UVZ) über eine Allianz zum Bau eines gepanzerten Fahrzeugs seien gestoppt worden, sagte eine Volvo-Sprecherin am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters.
Mangott kritisiert die Verhandlungslinie der EU-Kommission mit der Ukraine, die dazu angetan gewesen sei, Russland zu provozieren. Warum habe man etwa auf Artikel 7 des Assoziierungsabkommens bestanden, in dem eine "graduelle Konvergenz auf dem Gebiet der Außen- und Sicherheitspolitik einschließlich der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik" vereinbart wird?
Gewinner des derzeitigen Konflikts zwischen Russland einerseits und der Ukraine, der EU und den USA andererseits seien vor allem China und die USA. "Je mehr Europa Russland zurückweist, umso mehr werden China und Russland zusammenrücken", sagt Mangott. Die USA seien im Zuge der Krise als wichtiger Player in diese Region zurückgekehrt. Wirtschaftliche Folgen der Krise hätten die USA kaum zu befürchten, da weder der Außenhandel mit Russland und schon gar nicht der mit der Ukraine eine besondere Rolle spielt.
Werner Almhofer, jahrelang als Diplomat in Bosnien, Serbien und auch im Kosovo tätig, kritisierte die Vergleiche zwischen Krim und Kosovo, die von Moskau immer wieder angestellt werden. "Im Falle des Kosovo sind jahrelange Menschenrechtsverletzungen gegen Kosovo-Albaner der Unabhängigkeit vorausgegangen, zudem wurde die Unabhängigkeit erst nach jahrelangen Vorbereitungen angestrebt." Daher sei dieser Vergleich nach Meinung von Almhofer inkorrekt und unzulässig.