"Wenn sie glauben, dass sie ohne diesen Schritt auskommen, wäre uns das natürlich lieber" - Finanzminister Karl-Heinz Grasser, derzeit Vorsitzender im Ecofin-Rat, formuliert vorsichtig. Selten waren sich die Ökonomen aber so einig, dass die Europäische Zentralbank heute, Donnerstag, in Madrid den nächsten Zinserhöhungsschritt setzt - von 2,50 auf 2,75 Prozent erwarten die meisten, einige glauben sogar an einen halben Prozentpunkt mehr, also auf 3,00 Prozent.
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Die Währungshüter in Frankfurt müssen tun, was sie tun müssen: Die ersten Eurostat-Daten zur Inflation zeigen, dass die Teuerung im Mai auf 2,5 Prozent angestiegen ist, deutlich über der selbst gesetzten magischen Grenze von zwei Prozent.
Die Zeit des billigen Geldes geht weltweit zu Ende. In Amerika liegt der Leitzins bereits bei fünf Prozent, in Japan beginnt sich die lange festgeschweißte Zinsschraube ebenfalls zu drehen, und auch in Europa schlägt die EZB bereits seit Ende 2005 eine härtere Gangart an: Man will mit höheren Zinsen die von Rekordölpreisen seit Monaten angeheizte Teuerung bremsen. Vom robusteren Konjunkturwachstum geht ebenfalls Inflationsgefahr aus, weil Unternehmen bei den immer noch günstigen Krediten verstärkt investieren und so immer mehr Geld in den Umlauf gepumpt wird.
Aber: "Die EZB sollte nicht auf die Pauke hauen, denn die Rohstoff- und Devisenmärkte sind in Turbulenzen", sagt der Europa-Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer. "Man zündet keine Zigarette an, wenn eine Gasleitung leckt." Aus Sorge vor stark steigenden Zinsen befinden sich Aktien- und Rentenmärkte seit Wochen auf Talfahrt. Höhere Leitzinsen verteuern Kredite für Unternehmen, Hausbesitzer und den Staat. Das dämpft die Inflation, belastet aber die Aktienmärkte.
Gegen einen großen Zinsschritt spricht auch die jüngste Aufwertung des Euro auf Kurse knapp unter 1,30 US-Dollar, die den Export und damit das Wirtschaftswachstum dämpft.
Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) mahnte die EZB jüngst zur Vorsicht. Die Bedingungen für eine "substanzielle Straffung" der Geldpolitik seien nicht gegeben, ließ man ausrichten. Noch deutlicher der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger. Er rät der EZB wegen des starken Euro von weiteren Zinserhöhungen vorerst überhaupt ab. "Ein steigender Leitzins birgt das Risiko, dass der Euro noch weiter aufwertet und damit zu einer Gefahr für die Konjunkturerholung wird".
Ein teurer Euro beeinträchtige die Wettbewerbsfähigkeit und gefährde die exportgetriebene Konjunkturerholung. Der von hohen Ölpreisen ausgelöste Preisauftrieb im Euroraum rechtfertige noch keine Zinserhöhung. "Eine energiepreisbezogene Teuerung zu bekämpfen, macht keinen Sinn." Erst wenn das teure Öl eine Lohn-Preis-Spirale in Gang zu setze, müsse man handeln - von solchen "Zweitrundeneffekten" sei aber noch keine Rede.