Wenn sich diese Woche in den USA die Chefs der Notenbanken treffen, hat das auch Folgen für die EU.
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Frankfurt/Washington. Ende August richten sich die Blicke der Finanzwelt fast schon traditionell gespannt auf eine Kleinstadt im US-Bundesstaat Wyoming. In Jackson Hole, wunderschön inmitten der Rocky Mountains gelegen, trifft sich die globale Finanzelite, um über die Weltwirtschaft zu beraten. Im Focus werden bei dem Treffen, das von Donnerstag bis Samstag stattfindet, besonders zwei Referenten stehen: die Chefin der US-Notenbank Fed, Janet Yellen, und Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank EZB. Die Spannung an den Märkten vor den Jackson-Hole-Treffen ist stets groß. Im Jahr 2014 etwa hat Draghi in seiner dortigen Rede angekündigt, die unerwünscht niedrige Inflation mit allen Mitteln zu erhöhen. Er hat damit das umstrittene Anleihenkaufprogramm der EZB eingeleitet. Kein Wunder, dass sich die Blicke der Börsianer bereits auf das Notenbankertreffen in den Rocky Mountains richten.
Blicke auf Yellen gerichtet
Und das, obwohl vor allem Draghi in den letzten Wochen bemüht war, Erwartungen, er werde ähnlich wie 2014 neue geldpolitische Signale senden - etwa eine Ankündigung, wann und wie die EZB den Ausstieg aus ihrem umstrittenen Anleihenkaufprogramm plant -, zu zerstreuen. Vergangene Woche sickerten Informationen von Insidern durch, wonach Draghis Ansprache keine große geldpolitische Rede sein werde, es werde vielmehr um langfristige Herausforderungen gehen. Dazu dürfte Draghi noch seine nicht unumstrittene ultralockere Geldpolitik anpreisen, die in Europa zu einem kleinen Wirtschaftsaufschwung geführt hat.
Dennoch blicken die Anleger gespannt nach Jackson Hole - traditionell wird jedes Wort der wichtigsten Notenbanker der Welt von den Märkten auf die Goldwaage gelegt. Im Zentrum wird vor allem Yellen stehen. Sie wird am Freitagmorgen zum Thema Finanzstabilität sprechen. "Alle warten darauf, ob die amerikanische Fed ankündigt, die Zinsen zu erhöhen, und sei es auch nur zwischen den Zeilen", sagte der wissenschaftliche Direktor des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW), Robert Stehrer, der "Wiener Zeitung". Die Wirtschaftslage in den USA sei gut, die Arbeitslosigkeit niedrig. "Da würde man eigentlich erwarten, dass die Fed die Zinsen moderat erhöht", meint der Experte. Sollte es aber dazu kommen, sieht Stehrer für Europa ein Problem, das einer Doppelmühle gleicht: "Wenn die EZB bei einer US-amerikanischen Zinserhöhung mitzieht, könnte das das zarte Pflänzchen des Konjunkturaufschwungs, das in Europa derzeit blüht, wieder zum raschen Verwelken bringen. Und wenn die EU das nicht tut, wenn also auf europäische Anleihen weniger Zinsen gezahlt werden müssen als auf US-Anleihen, würde das einen Wechselkurseffekt bedeuten" - der derzeit gegenüber dem Dollar starke Euro müsste also abwerten.
So oder so, Draghi und die EZB werden sich an den Vorgaben der Fed zu orientieren haben. Grundsätzlich ist ein Ausstieg der EZB aus ihrem Anleihenkaufprogramm geplant, Draghi hatte im Juli angekündigt, im Herbst dazu Stellung nehmen zu wollen.
Mittlerweile macht sich freilich an manchen Stellen Ratlosigkeit breit. So hat die ultralockere Geldpolitik der EZB die Wirtschaft Europas zwar moderat angeschoben, aber nicht im erhofften Ausmaß. Das produktive Potenzial bleibt vom Aufschwung kaum berührt, die Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück, die Produktivität lahmt.
Rätseln über Ursachen
Der "Spiegel"-Journalist Henrik Müller vergleicht den Zustand der Weltwirtschaft mit einem Autofahrer, der entschlossen aufs Gaspedal tritt. "Die Geschwindigkeit nimmt zu, der Motor heult auf, aber das Getriebe schaltet nicht in den nächsthöheren Gang." Das entschlossene Durchtreten des Gaspedals habe vor allem den Kapitalmärkten eingeheizt, Anleihen, Aktien und Immobilien nach oben getrieben, in der Realwirtschaft sei aber kaum etwas gelandet. Das könne auf die Dauer nicht gutgehen.
Auch in den Chefetagen ist die Ratlosigkeit groß. So stellte etwa Claudio Borio, der Leiter der monetären Abteilung der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), der Bank der Notenbanken, kürzlich die Frage "Was wissen wir eigentlich über Inflation?" Über die Gründe, warum die Weltwirtschaft nicht anspringt, wird gerätselt. Manche vermuten eine Stagnation durch die Überalterung in vielen Ländern, wodurch weniger ausgegeben werde, andere meinen, dass der Wirtschaft die Ideen ausgehen. Viele Kritiker verweisen auf die Schuldenberge, die nun auf Staaten, Unternehmen und Privatbürgern lasten und deren Investitionsmöglichkeiten einschränken, und sehen die Weltwirtschaft auf dem Weg zum nächsten Crash. Zu beneiden sind Draghi und Yellen um ihre Aufgabe nicht.