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Währungsunion: Eintritt und Austritt

Von Waldemar Hummer

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Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Die für den Eintritt in die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) nötigen Konvergenzkriterien sind bekannt - nicht aber, ob man aus der WWU wieder austreten kann.


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Erfüllt ein Mitgliedstaat der EU die vier Konvergenzkriterien des Artikels 121 Absatz 1 EGV in Verbindung mit dem Protokoll (Nr. 21) über die Konvergenzkriterien (1992) - Preisstabilität, öffentliche Verschuldung, Teilnahme am Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems (EWS) und Konvergenz der Zinssätze - dann wird er (verpflichtend) durch den Rat mit qualifizierter Mehrheit in die 3. Stufe der WWU kooptiert. Dies ist bereits bei 16 der 27 EU-Mitgliedstaaten der Fall gewesen. Der Eintritt in die WWU steht damit nicht zur Disposition der Mitgliedstaaten - mit Ausnahme Großbritanniens und Dänemarks, denen durch primärrangige Protokolle eine solche Wahlmöglichkeit konzediert wurde.

Ebensowenig scheint ein einseitiger Austritt aus der WWU - als contrarius actus - möglich zu sein. Der EG-Vertrag sieht nicht nur ein solches Austrittsrecht nicht vor, sondern enthält im Gegensatz dazu eine Reihe von Bestimmungen, aufgrund derer einem Mitgliedstaat, der den Euro übernommen hat, dann aber wirtschaftlich in Schwierigkeiten gerät, Beistand geleistet werden muss (Artikel 119 Absatz 2 EGV). Diese "stand-by"-Mechanismen dienen eben gerade dazu, einen Austritt hintanzuhalten.

Interessanterweise sieht der EG-Vertrag zwar eine Währungsunion, nicht aber eine Wirtschaftsunion vor. Dabei wäre es für das Funktionieren der Währungsunion von vitalem Interesse, dass die Staaten, die den Euro übernommen haben, auch eine harmonisierte Wirtschaftspolitik betreiben. Im Gegensatz dazu besteht in der EG aber lediglich die Verpflichtung, dass die Mitgliedstaaten ihre Wirtschaftspolitik als eine "Angelegenheit von gemeinsamem Interesse" betrachten (Artikel 99 Absatz 1 EGV). Einer Harmonisierungspflicht unterliegen sie diesbezüglich nicht. Es kann daher ohne weiteres vorkommen, dass divergierende Inflationsraten einen Staat wirtschaftlich in Bedrängnis bringen. Erweist sich nämlich seine Preissteigerungsrate höher als die durchschnittliche Inflationsrate in der EU, dann nehmen aufgrund der höheren Produktionskosten und damit verbundener Preissteigerungen seine Exporte ab und seine Importe zu. Der natürliche Ausgleich dieses Phänomens durch eine Abwertung seiner Währung ist diesem Staat als Mitglied der Währungsunion samt Einheitswährung Euro aber nicht mehr möglich.

Größenschluss

In dem 1979 eingerichteten Europäischen Währungssystem (EWS), einem bloßen Wechselkursverbund, konnte ein Staat, der inflationsbedingt die Bandbreite des Wechselkurses seiner Währung auf den Devisenmärkten nicht mehr einhalten konnte, seine Währung "floaten" - das heißt im Wechselkurs frei schwanken - lassen. Sobald sich der "richtige" Außenwert seiner Währung eingestellt hatte, konnte der Staat dann wieder in das EWS zurückkehren. Ein Teil der Lehre nimmt daher aus Gründen gemeinschaftlichen Gewohnheitsrechts die (rechtliche) Möglichkeit des Ausscheidens aus der WWU an. Sollte der Vertrag von Lissabon in Kraft treten, dann werden diese Autoren noch das zusätzliche Argument eines Größenschlusses bemühen: wenn man gemäß Artikel 50 EUVneu schon aus der ganzen Union austreten kann, wird man doch noch einen ihrer Teilbereiche, nämlich die WWU, verlassen können. Auf die faktische (Un-)Möglichkeit, sich aus dem Euro zu lösen und wieder eine eigene Landeswährung einzuführen, sei in diesem Zusammenhang nur hingewiesen.