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Zwar macht das Waldsterben schon lange keine Schlagzeilen mehr, nichts desto trotz geht es weiter.
Während der Waldbericht 1995 noch positiv vermerkte, daß die Schädigung des Waldes durch Luftschadstoffe und Wildverbiß gegenüber dem Vorjahr stagnierte, zeigen die Werte von 1996, daß man sich zu
früh gefreut hat. In diesem Jahr hat die Anzahl der geschädigten Bäume wieder zugenommen. Bereits ein Drittel aller Bäume weisen sogenannte Kronenverlichtungen auf, das heißt sie verlieren vorzeitig
Nadeln oder Blätter. Besonders gefährdet sind Eichen und Tannen.
Ursachen bekannt
Die Ursachen des Waldsterbens sind längst bekannt und sie werden auch im Waldbericht detailliert beschrieben: Luftschadstoffe, Klimaerwärmung und Ozonbelastung tragen dazu bei, daß der Wald
(weiter) stirbt. Das bodennahe Ozon, das unter dem Einfluß von ultravioletter Sonnenstrahlung aus Stickoxiden und flüchtigen organischen Verbindungen entsteht, schädigt das Wachstum der Bäume. Im
Vergleich zu anderen europäischen Ländern weist Österreich eine sehr hohe Ozonbelastung auf. Besonders ausgeprägt sind die Überschreitungen der Ozonwerte in alpinen Höhenlagen. Daraus, so folgert der
Waldbericht, "ergibt sich ein klarer Bedarf zur Reduktion der Ozonbelastung zum Schutz des Waldes". Hauptverantwortlich für die steigende Ozonbelastung sind wiederum die Verkehrs- und
Industrieabgase. Das ist zwar seit Jahren bekannt, ebenso wie die zahlreichen Vorschläge zur Reduktion von Emissionen. Doch die Schwierigkeit liegt in der Umsetzung wirksamer Maßnahmen, an der man
seit Jahren scheitert.
Gefahr droht den Bäumen aber nicht nur aus der Luft, sondern auch vom Boden. 20 Prozent der Waldböden sind "versauerungsgefährdet". Die kontinuierlich steigenden Mengen von Blei und Cadmium geben
Anlaß zur Sorge, daß "die Alpen zur ,Großflächendeponie` europäischer Luftschadstoffe werden", heißt es wörtlich im Bericht.
Zu hoherWildbestand
"Höchst unbefriedigend" sei auch der Zustand der Schutzwälder. Das klingt fast beschwichtigend angesichts der Fakten : Knapp ein Drittel der Schutzwälder ist instabil. Zwar konnte durch intensive
Schutzwaldpflege der Anteil der schutztechnisch günstigen Zirben und Lärchen vermehrt werden, gleichzeitig ist aber der Tannenanteil bei den Verjüngungsflächen infolge des Wildverbisses praktisch
verschwunden. Die ökologisch besonders empfindsamen und gefährdeten Schutzwälder machen rund 20 Prozent der heimischen Waldfläche aus.
Der teils zu hohe Wildbestand ist auch der Grund, warum die Aufforstung meistens mißlingt. 85 Prozent aller Verjüngungsflächen und 67 Prozent aller Waldgebiete weisen Verbißschäden auf. Sogenannte
Schälschäden treten bei fast acht Prozent aller Stämme auf. Durch das Abschälen der Rinde dringen Pilze in das Holz ein und verursachen Stammfäule. Diese verringert die Bestandsstabilität und führt
zur Entwertung des Holzes.
Dabei wäre Abhilfe ganz einfach: Höhere Abschußquoten würden zu einer Verringerung des Wildbestandes beitragen und damit auch die Verbiß- und Schälschäden minimieren. Doch die notwendige Dezimierung
scheiterte bislang am Veto der Jägerschaft. und die hat auch im Nationalrat eine starke Lobby, was sich bei der Debatte des Waldberichtes deutlich zeigte.
Fast konnte man den Eindruck gewinnen, daß für die ÖVP-Redner das Problem des Wildverbisses gar nicht existiert. Während der Erstredner Georg Schwarzenberger auf dieses Problem überhaupt nicht
einging, war es für andere wiederum nur eine Frage der Auslegung. So meinte z. B. der ÖVP-Abg. Willi Sauer, "Schäden durch Wildverbiß seien eine Frage der Interpretation". Höhere Abschußquoten sind
nicht notwendig, meinte Sauer, da sie in den vergangenen Jahren ohnedies sehr hoch gewesen seien.
Sein Vorredner, der SPÖ-Abg. Emmerich Schwemlein, hatte angesichts der im Bericht aufgelisteten Schäden höhere Abschußquoten gefordert. Und er unterstrich seine Forderung damit, daß im Berichtsjahr
die Abschußquoten wieder stark zurückgegangen sind.
Während der Wildabschuß 1995/96 noch 877.496 Stück Wild betrug, so waren es 1996/97 nur mehr 806.445 Stück. Die Abschußquoten waren also rückläufig, während die Schäden durch Wildverbiß bei dem
ohnedies schon sehr hohen Stand des Vorjahres stagnierten.
Wald contra Wild
Der Bericht stellt für 1996 fest, "daß auf 33 Prozent der österreichischen Waldgebiete ein Gleichgewicht zwischen Wald und Wild bzw. Weidevieh gegeben ist". Das heißt, die restlichen zwei Drittel
der Wälder sind durch den künstlich hoch gehaltenen Wildbestand aus dem (ökologischen) Gleichgewicht geraten.
Höhere Abschußquoten forderte auch die Grüne Abg. Gabriela Moser, die darauf hinwies, daß seit Jahren immer wieder beim Waldbericht dieselbe Debatte · Wald contra Wild · geführt wird.
Auch für den LIF-Abg. Karel Smolle sind die im Waldbericht aufgelisteten Schäden durch Wildverbiß alarmierend. Und Smolle fordert ein Parlamentshearing zu diesem Thema. Er hofft, daß dadurch der
Konflikt zwischen Waldhege und Wildpflege entschärft werden könnte.
Der Wald als Wirtschaftsfaktor stand im Mittelpunkt der Überlegungen der FPÖ. Abg. Stefan Salzl appellierte an den Landwirtschaftsminister, eine Politik zu betreiben, die den Forstbetrieben auch in
Zukunft das Überleben sichert.
Doch gerade in der Forstwirtschaft sehen viele Landwirte neue Einkommensmöglichkeiten. Was dazu führt, daß immer mehr ehemals landwirtschaftlich genutzte Flächen aus wirtschaftlichen Überlegungen
aufgeforstet werden. Was den positiven Effekt hat, daß der heimische Wald kontinuierlich wächst. Wie schon in den letzten Jahren hat auch 1996 die Waldfläche Österreichs wieder zugenommen · um etwa
7.700 ha. Insgesamt sind rund 46,8 Prozent des Bundesgebietes mit Wald bedeckt. Damit ist Österreich nach Slowenien das waldreichste Land Mitteleuropas.Õ
* Die verspätete Vorlage des Waldberichts ist laut Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer dadurch bedingt, daß einerseits die Ergebnisse der Waldinventur 1992 bis 1996 erst im Dezember
1997 vorlagen, andererseits entstanden durch die Vorbereitung auf den EU-Vorsitz personelle Engpässe, sodaß die Herausgabe des Waldberichts warten mußte.
Dagmar Wohlfahrt ist Mitarbeiterin der ORF-Parlamentsredaktion