Die Riesen fressen wesentlich mehr als gedacht und unterstützen damit das Meeresökosystem.
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Die Bedeutung der Großwale für das Meeresökosystem dürften Wissenschafter bisher unterschätzt haben. Das Um und Auf scheint die Nahrungsmenge zu sein, die die Unterwasserriesen zu sich nehmen. Wie eine Studie von Forschern des National Museum of Natural History in Smithsonian zeigt, nehmen Bartenwale wie Blau-, Finn- und Buckelwale drei Mal mehr Nahrung pro Jahr zu sich als bisher angenommen. Infolge produzieren die Tiere naturgemäß auch wesentlich mehr Exkremente, die eine wichtige Nährstoffquelle für den offenen Ozean darstellen, berichten die Wissenschafter im Fachblatt "Nature".
Durch das Aufnehmen von Nahrung und ihre Ausscheidungen tragen die Riesen dazu bei, dass wichtige Nährstoffe nahe der Oberfläche in Schwebe gehalten werden, wo sie die Blüte des kohlenstoffabsorbierenden Phytoplanktons ankurbeln können. Dieses wiederum bildet die Grundlage der Nahrungsnetze im Ozean. Ohne die Wale sinken diese Teilchen leichter auf den Meeresboden, was die Produktion des Phytoplanktons in bestimmten Teilen des Gewässers einschränken kann. In Folge mindert sich die Fähigkeit dieser Ökosysteme, das durch die Erderwärmung entstehende Kohlendioxid aufzunehmen. Ein Teufelskreis also.
321 markierte Tiere
Die Erkenntnisse kommen zu einem entscheidenden Zeitpunkt. Unser Planet ist mit dem globalen Klimawandel und dem Verlust der biologischen Vielfalt konfrontiert. Mit dem Temperaturanstieg nehmen die Ozeane mehr Wärme auf und werden saurer. Das bedroht wiederum die Nahrungsquellen, die die Wale benötigen. Viele der Bartenwale haben sich zudem vom industriellen Walfang im 20. Jahrhundert nicht mehr erholt und leben nur noch in wesentlich kleineren Populationsgrößen als davor.
"Unsere Ergebnisse zeigen, dass ein wesentliches Mehr an Walpopulationen einen großen Teil der verloren gegangenen Funktionen der Meeresökosysteme wiederherstellen kann", so Studienautor Nicholas Pyenson.
Um zu messen, wie viel Nahrung Wale mit einer Größe von neun bis 30 Metern zu sich nehmen, hat das Wissenschafterteam die Daten von insgesamt 321 markierten Walen sieben verschiedener Arten im Atlantik, Pazifik und südlichen Ozean gesammelt. Der Messzeitraum erstreckte sich von 2010 bis zum Jahr 2019.
Die Tiere sind mittels Kamera, Mikrofon, GPS und Beschleunigungsmesser ausgestattet. Diese an ihnen haftenden Tags verfolgen ihre Bewegungen im dreidimensionalen Raum und ermöglichen den Forschern, verräterische Muster zu erkennen, die zeigen, wann die Tiere fressen.
Eisen als wichtiger Motor
Der Datensatz umfasste auch Drohnenaufnahmen von 105 Meeresriesen, die genauere Schätzungen der Körpermaße möglich machten. Damit konnte berechnet werden, wie viel Wasservolumen beim Fressvorgang aufgenommen wird. Zudem ermöglichten es Echolote, die Größe und Dichte der Krillschwärme und anderer Beutetiere zu erkennen. Die Verknüpfung all dieser Daten zeigte auf, wie oft die Wale fressen, wie viel Beute sie dabei aufnehmen und wie viel Nahrung überhaupt verfügbar ist.
Keine unwesentliche Rolle nimmt in dem System die Menge an Eisen ein, die sich in den Exkrementen befindet. Ein Mangel an Eisen verhindert eine mögliche Phytoplanktonblüte. Da Wale so viel fressen, nehmen sie erhebliche Mengen an Eisen auf und scheiden es wieder aus. Und weil die Tiere Luft atmen, neigen sie dazu, ihren Kot in der Nähe der Oberfläche abzusetzen - genau dort, wo das Plankton die Nährstoffe auch benötigt, um die Fotosynthese anzukurbeln.
"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Beitrag der Wale zur globalen Produktivität und zum Kohlenstoffabbau von der Größenordnung her wahrscheinlich mit den Waldökosystemen ganzer Kontinente vergleichbar ist", so Pyenson. Hilft man den Walen, sich zu erholen, "könnte man die verlorenen Ökosystemfunktionen wiederherstellen und eine natürliche Lösung für das Klima bieten".