Seit mit 1. Juli 2002 das österreichische Kartell- und Wettbewerbsrecht zum wiederholten Mal reformiert wurde, liegt es u. a. an den Mitarbeitern der neugeschaffenen Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), auf die Einhaltung der Spielregeln des freien Marktes zu achten. BWB-Generaldirektor Walter Barfuß zieht im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" Bilanz und erklärt, warum er sich eine Aufstockung der Personalressourcen der Wettbewerbshüter wünscht.
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Mit seiner neuen Arbeitsstätte hat Walter Barfuß, ehemaliger Wirtschaftsanwalt, Ordinarius für Öffentliches Recht und - seit Juli 2002 - oberster Wettbewerbshüter des Landes, keine Freude. Lediglich "die Aussicht könnte schlimmer sein", räumt er ein. Das Büro-Gebäude in Wien-Landstraße mit Blick über den Rochusmarkt verfügt über den Charme der 70er-Jahre: Brauntöne und PVC-Materialien dominieren.
Schwerer wiegen die beengten Platzverhältnisse. Auch sei es "nicht zumutbar, dass jeder Besuch des Kartellgerichts zu einer halbtägigen Dienstreise wird", befindet Barfuß. Trotz der tristen Arbeitsumgebung fällt die Bilanz der beim Wirtschaftsminister eingerichteten, weisungsfreien Behörde ansehnlich aus: "Uns ist ein schicklicher Start gelungen," freut sich Barfuß, der das Amt im Alter von 65 Jahren übernommen hat. Zwischen 1. Juli und 20. September wurden 404 Kartellrechtsfälle behandelt, 582 Akten durchgenommen. In jüngster Zeit sorgten vor allem die "Strom-" und "Gaslösung" für Aufruhr (siehe untenstehender Kasten).
Nicht zuletzt weil der BWB auch die Durchführung der europäischen Wettbewerbsregeln obliegt, ist der Arbeitsanfall beträchtlich. "Ich selbst habe unterschätzt, welche Quantität an Fällen auf uns herunterstürzen wird", berichtet Barfuß. Insgesamt - resümiert er - sei der aktuelle Arbeitsanfall mit den derzeitigen Personalressourcen nicht bewältigbar.
Personalmangel
Eigentlich waren den Wettbewerbshütern 20 Planstellen zugesichert worden. Tatsächlich wären es von Anfang an nur 18 gewesen. "Seit 1. Oktober sind wir nur mehr 17", ärgert sich Barfuß. "Ich bin kein Narr," so Barfuß, "ich gehe nicht davon aus, dass wir - wie in Holland - 300 Mitarbieter benötigen". Aber mindestens 20 neue Leute seien nötig, führt er aus, mittelfristig 30-40 Personen. Ohnehin sei man in Europa das Schlußlicht - schlechter personell besetzt seien lediglich Slowenien oder Lettland.
Wie aber bewährt sich nun das neue Kartellrecht? Trotz vieler Novellen in den letzten Jahren war der Vorwurf, dem österreichischen Kartellrecht fehle es an Biss, stets aufrecht geblieben. Bei der jüngsten Reform verhält sich das anders. Glaubt zumindest Barfuß, der auch im Aufsichtsrat der Energie-Controll sitzt, der Regulierungsbehörde für die Gas- und stromwirtschaft: Die Reform sei geglückt, auch wenn dem Gesetz in Detailfragen noch der letzte Feinschliff fehle. Die scheinbare Zweigleisigkeit von BWB und Kartellanwalt (diese Funktion bekleidet Dr. Alfred Mair) werde durch die funktionierende Zusammenarbeit der beteiligen Personen entschärft.
Kind der Sozialpartnerschaft
Auch habe das neue Kartellrecht das Bild von der Übermacht der Sozialpartner zurückzudrängen vermocht. "Verstehen Sie mich nicht falsch," ersucht Barfuß, "ich bin selbst ein Kind der Sozialpartnerschaft". Allerdings habe sich das alte, sozialpartnerschaftlich aufgebaute Kartellrecht - obwohl es ehedem Großartiges geleistet hätte - totgelaufen.
Als bemerkenswert streicht Barfuß, der als ÖVP nahe gilt, hervor, dass es keinerlei Interventionen von politischer Seite gegeben habe. Was er auch auf seine Person zurück führt: "Ich bin wirklich unabhängig. Allein durch mein Alter, ich muss nicht mehr rittern um irgendeine Position". Auch finanziell hat der frischgebackene Staatsdiener nach langen Jahren der Tätigkeit in seiner renommierten Wiener Wirtschaftskanzlei ausgesorgt. Und noch etwas spreche für seine Interventions-Resistenz: "Es ist bekannt, dass ich sehr uncharmant sein kann". Die große Schwierigkeit seiner Tätigleit bestehe darin, dass der österreichische Markt im Vergleich zum internatioanlen so klein sei. Natürlich seien österreichische Unternehmen im internationalen Vergleich "Winzlinge", die durch Zusammenschlüsse, Absprachen oder ähnliches versuchten, ihre Position am Weltmarkt zu sichern.
"Markt braucht Regeln"
"Andererseits kann ich nicht hinnehmen, das es dadurch zu regionalen Wettbewerbsverzerrungen kommt, die zu Lasten der noch kleineren Winzlinge - Konkurrenten oder Konsumenten - gehen. Wenngleich selbst Anhänger der Marktwirtschaft, glaubt Barfuß nicht mehr an die Selbstheilungskräfte des freien Marktes. Auch hier gelte wie auch im Straßenverkehr: "Ohne Regeln und jemanden, der darauf schaut, dass sie eingehalten werden, gibt's Brösel".
Mitarbeit: Veronika Gasser