Walter Ruck zieht nach fünf Jahren als Präsident der Wiener Wirtschaftskammer Bilanz.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Wiener Zeitung": Sie sind nun seit fünf Jahren Präsident der Wiener Wirtschaftskammer. Was haben Sie rückblickend von dem geschafft, was Sie sich vorgenommen hatten?
Walter Ruck: Das sind zu viele Dinge, um sie alle aufzuzählen - aber ich kann Ihnen sagen, dass wir einen großen Teil aus unserem Programm für Wien, das wir in meinem Antrittsjahr 2015 präsentiert haben, umsetzen konnten.
Was war das zum Beispiel?
Zum Beispiel die Winter-Schanigärten. Ein hochgradig emotionales Thema - aber für mich immer unverständlich, weil ich immer gesagt habe, einen Schanigarten aufzusperren hängt nicht vom Kalender ab, sondern von der Temperatur. Oder die Multifunktionshalle ist damals auch schon im Programm gestanden - jetzt soll sie gebaut werden. Unser Bekenntnis zur dritten Piste - jetzt gibt es grünes Licht. Wir haben auch das Konzept des Standortanwaltes entworfen - und das war noch, bevor die Vorgänger-Regierung überhaupt eine Idee war. Die Öffnung des dritten Marktes der Börse für KMU. Oder unser Kapitalmarktpaket. Wir sind wirklich breit über alle Themenbereiche gegangen. Das Spürbarste waren wahrscheinlich die Anrainerparkzonen. Und auch das Größte - denn wer hätte 2016 gedacht, dass die Wirtschaftskammer mit der grünen Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou einen Pakt schließt, der den Werks- und Lieferverkehr begünstigt?
Und umgezogen sind Sie auch.
Ja, wir haben zehn Standorte zu einen zusammengefasst und dem ist eine Strukturreform vorangegangen, wo wir 26 Abteilungen auf fünf reduziert haben.
Also sind Sie zufrieden?
Zufrieden kann ich sein, wenn alle unsere Vorschläge umgesetzt sind. Aber gemessen an dem, was wir bisher nachweisbar umgesetzt haben, bin ich wirklich sehr zufrieden.
Eines Ihrer Lieblingsthemen waren aber immer die Tourismuszonen bzw. die Sonntagsöffnung. Diesbezüglich sind Sie weniger erfolgreich gewesen, obwohl sowohl Altbürgermeister Michael Häupl als auch sein Nachfolger Michael Ludwig Gesprächsbereitschaft signalisierten bzw. eine Einigung mit den Sozialpartnern zur Bedingung gemacht haben. Wie ist hier der Stand der Dinge?
Dieses Thema betreffend gibt es laufend Gespräche mit ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian und meiner Person, wobei wir die gemeinsame Lösung noch nicht gefunden haben. Aber wir haben uns sowohl klimatisch als auch inhaltlich angenähert.
Was heißt das im Konkreten?
Es ging viel darum, die Positionen klarzumachen - dass es eben nicht darum geht, den Sonntag zum klaren Einkaufstag zu definieren, sondern darum, in stark begrenzten Zonen das Potenzial der Touristen zu nutzen. Mein Gefühl ist, dass wir immer weiter
zueinander kommen, aber noch nicht so weit sind, weißen Rauch aufsteigen zu lassen.
Um bei dieser Metapher zu bleiben: Die Kirche ist ja auch nicht besonders begeistert von einer Sonntagsöffnung.
Deswegen habe ich bewusst diese Metapher gewählt: Ja, es gibt noch andere Stakeholder auf diesem Gebiet. Ich habe ja auch ein Gespräch mit seiner Eminenz geführt und klargemacht, dass es uns nicht darum geht, den Sonntag zu einem normalen Geschäftseinkaufstag zu machen. Und dass jede Art der Rücksichtnahme auf religiöse und kirchliche Interessen selbstverständlich in eine Lösung mit eingepackt werden muss.
Woran genau ist eine Einigung bisher gescheitert?
Das ist eine Frage, die Sie eigentlich den anderen Stakeholdern stellen müssen. Von meinem Gefühl her liegt es aber daran, dass man vor einer generellen Sonntagsöffnung Angst hat, wenn man Tourismuszonen zustimmen würde. Und gegen Ängste kann man bekanntlich rational nicht gut argumentieren. Aber man muss sie ernst nehmen. Auf rationaler Ebene glaube ich trotzdem: Es ist für alle Gesprächspartner klar, dass Tourismuszonen wirtschaftlich Sinn machen.
Haben Sie eigentlich schon konkrete Zonen vorgelegt?
Ja, und wir investieren zusätzlich gerade in ein Tool, das die Touristenströme sehr genau messen kann: Wann sind wo die meisten Menschen, in welchem Zeitraum und welcher Nationalität gehören sie an. Daraus werden sich dann weitere konkrete Vorschläge ableiten.
Was ist das für ein Tool?
Es gibt die technische Möglichkeit, unter der Wahrung des Datenschutzes, über SIM-Karten und den Log-in-Stationen der Telefonanbieter diese Ströme zu messen. Über die Imei-Nummer (International Mobile Station Equipment Identity, Anm.) jedes Handys kann dann auch die jeweilige Nationalität herausgelesen werden. Das wird uns im Übrigen auch bei dem Thema Demonstrationszonen helfen - ebenfalls ein Thema auf unserer Vorhabensliste.
Auf der ist übrigens auch der Bezirksfinanzausgleich gestanden (laut Wirtschaftskammer sollten die Bezirksbudgets so bemessen werden, dass etwa die Schaffung von Arbeitsplätzen im Bezirk mit positiven finanziellen Folgen für das Bezirksbudget belohnt wird, Anm.) - ist das Thema ganz vom Tisch?
Nein, das ist ein laufender Prozess. Auch die Arbeiterkammer hat 2016 in einer Studie darüber nachgedacht, ob die Bezirksaufteilung in Wien sinnvoll ist - vor allem, wenn es um die Ansiedelungspolitik geht. Das Problem ist, dass für die Bestimmung des Bezirksbudgets derzeit die Gehsteigkante relevanter ist als die Zahl der Arbeitsplätze. Und das ist für den Ausbau eines Wirtschaftsstandortes nicht förderlich. Wir halten auch den Umgang mit dem ruhenden Verkehr auf Bezirksebene für fehlgeleitet, um ein weiteres Beispiel zu nennen.
Was meinen Sie damit genau?
Wir halten das Parkpickerl als Bezirkskompetenz für eine völlig falsch verstandene Subsidiarität. Wir könnten uns hier viel besser eine Wien weite Regelung vorstellen. Der ruhende Verkehr gehört wieder zurück in die Kompetenz der Stadt.
Und wird die Stadt auf die Wirtschaftskammer hören?
Wir haben das Thema derzeit nicht auf einer Ebene, wo wir es mit Nachdruck verhandeln könnten, aber es ist in den Gesprächen immer Thema.
Wie soll es mit dem Thema Plattformökonomie weitergehen - Stichwort Uber?
Es wird keine Lösung sein, Plattformökonomie zu verbieten. Man sollte sie vielmehr zugunsten der Menschen intelligent nutzen. Was Uber betrifft, so ist meine Meinung folgende: Wenn zwei Player im Wettbewerb stehen, dann hätte ich es ganz gerne, dass für beide dieselben Regeln gelten. Das heißt aber nicht, dass die Regeln, die es gibt, die richtigen sind. Jetzt haben wir einmal in Schritt eins die Regeln angeglichen. Schritt zwei wird folgen. Das kann man eigentlich auf die gesamte Plattformökonomie übertragen. Eines ist auf jeden Fall klar: Wir dürfen in dieser Stadt auf keinen Fall fortschritts- und innovationsfeindlich werden.
Welche Regierungskonstellation wäre eigentlich aus Ihrer Sicht am besten für die Wiener Wirtschaft?
Wenn ich den Wiener Wirtschaftsbund-Obmann Walter Ruck zur Seite stelle und als Wirtschaftskammerpräsident antworte, muss ich sagen: eine wirtschaftsfreundliche und wirtschaftsverständige natürlich.
Mehr Schwarz-Rot oder Schwarz-Blau oder gar Schwarz-Grün?
Das hängt für mich immer mehr von den handelnden Personen ab und weniger von der Parteifarbe.
Ihre Freundschaft zu Bürgermeister Michael Ludwig ist ja kein Geheimnis - ist eine rot-schwarze Koalition in Wien nicht schon längst eine abgemachte Sache - zumindest, was Ihre Präferenzen anbelangt?
Ich hatte auch ein gutes Verhältnis zu Maria Vassilakou. Fachspezifisch waren natürlich meine Auftritte mit Michael Ludwig häufiger. Ich habe auch - no na ned - ein gutes Verhältnis zum Wirtschaftsstadtrat. Das hat primär etwas mit meiner Jobbeschreibung zu tun. Ich würde es auch für absurd halten, wenn die bedeutendste Interessensvertretung dieser Stadt - ich will da jetzt niemanden kleinreden - kein konstruktiv gutes Verhältnis zur Stadtregierung unterhalten würde. Da würde ich etwas falsch machen, wenn es anders wäre.
Und wie sieht das auf Bundesebene aus?
Das ist es auch von Personen abhängig. Interessant wird es, wenn die Österreicherinnen und Österreicher im Herbst ihre Stimmen verteilt haben werden. Dann wird sich herausstellen, ob die Menschen, die Brücken bauen können und wollen, die Oberhand gewinnen oder diejenigen, die gut sind im Auseinanderdividieren der Menschen.
War die FPÖ eine Partei, die versucht hat, Brücken zu bauen?
Man kann nicht alle in einen Topf werfen. Ich hatte mit Protagonisten der FPÖ zu tun gehabt, wo ich mir gedacht habe: Ja, sie sind daran interessiert, Brücken zu bauen. Aber in der äußeren Wahrnehmung war das nicht der erste Zugang der FPÖ.