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Im Festsaal der Hofburg hat man schon fleißig tanzen geübt - mit "Deckel".
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Wien. "Darf ich fragen, wer Sie sind und was sie hier tun?", sagt ein junger Mann in Käppi und Schärpe unter dem grün-braunen Sakko. Im Festsaal der Hofburg trägt heute jeder die Kopftracht der akademischen Burschenschafter, "Deckel" genannt - und das "Band" um die Brust.
Wer keinen aufhat, muss mit schiefen Blicken rechnen. Gemeinsam mit ihren Begleitungen proben sie heute die Tänze für den diesjährigen Akademikerball. Zwei Tanzlehrer geben ihnen per Mikrofon die Anweisungen: "Drehen und drehen und Schritt, Grüß Gott!" Zum Aufwärmen spielen sie einen Wiener Walzer vom CD-Player ab. Danach proben die Paare den Einzug in den prunkvollen Neo-Barocksaal, zwei Gehminuten entfernt vom Amtssitz des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers.
Zum Symbol für das rechte Österreich mutiert
In der Wahl des Veranstaltungsorts liegt einer der Gründe dafür, dass das Misstrauen hier tief sitzt und sich die Stimmung spannt, wenn Journalisten anwesend sind. Denn der Akademikerball, der bis vor zwei Jahren noch WKR-Ball hieß, gilt nicht nur als sozialer Fixpunkt der Burschenschafter in Österreich. Er steht auch ganz oben im Kalender linker Gegendemonstranten. Sie vermuten hinter dem Ball ein Vernetzungstreffen rechtsradikaler Persönlichkeiten aus ganz Europa. Die Veranstaltung ist längst zum Symbol für das rechte Österreich mutiert und die Demonstrationen gleichrangig zum stärksten Zeichen gegen rechte Politik in einem historisch belasteten Land. Keine Seite hat vor, auch nur einen Millimeter zurückzuweichen. "Grundrechte sind keine Sache der Bequemlichkeit. Die muss man verteidigen", sagt Udo Guggenbichler, Wiener Landtagsabgeordneter der FPÖ und seit zehn Jahren der Organisator des Balls.
Während seine Eröffnungspaare im Dreivierteltakt die Verteidigung ihrer Rechte üben, hetzt er von einem Termin zum anderen. Heute war er schon bei der Polizei, um die Sicherheitsmaßnahmen für den Ball zu besprechen. Dann inspizierte er die Lichttechnik im Ballsaal. "Die Arbeit hat in Wirklichkeit begonnen, als der letzte Ball zu Ende war." Seitdem verschickt er Einladungen, organisiert Eröffnungsredner und Ballorchester, gestaltet das Programm und die Preisstaffelung der Eintrittskarten. 75 Euro kostet ein Steh-Ticket, für 100 Euro ist ein Sitzplatz im Festsaal drin. Zu den Kosten für die Veranstaltung in der Wiener Hofburg will er partout keine konkrete Zahl nennen. Nur soviel: "Mehr als 100.000 Euro. Am Ende steht meistens eine schwarze Null."
Großteil der Zeit für Sicherheitsmaßnahmen
Angemeldet wurde der Ball von der FPÖ. Guggenbichler besteht darauf, dass es sich dabei nicht um eine politische Veranstaltung handle. "Auch eine politische Partei kann eine Kulturveranstaltung veranstalten", sagt er. Dennoch wird der Akademikerball weithin als politisches Ereignis wahrgenommen. Guggenbichler verwendet daher einen Großteil seiner Zeit für die Organisation der Sicherheitsmaßnahmen. Er steht in einer Art Rüstungswettlauf mit den Gegendemonstranten, die ihrerseits dazu übergegangen sind, Gleichgesinnte mit Bussen aus Deutschland heranzuschaffen. "Von der Polizei kriege ich Vorschläge, wie man die Sicherheit gewährleisten kann", sagt er, ohne ins Detail zu gehen. Dabei wurde die Sicherheitszone um die Hofburg heuer stark erweitert und umfasst nun knapp ein Drittel der Innenstadt. Ob das strenge Vermummungsverbot in den umliegenden Bezirken, unabhängig davon, ob sich Demonstrationszug in der Nähe befindet oder nicht, angemessen sei, könne er "sicherheitspolizeilich nicht einschätzen."
Trotz der angespannten Lage geben sich die Eröffnungspaare nach der Probe betont gelassen. Die meisten entschwinden zügig mit gesenktem Blick in die Nacht. Einige wenige haben Lust, ihre Sicht der Dinge zu schildern. "Ein Ball wie jeder andere", sagt ein junger Mann, der rauchend vor der Eingangstür steht. Einer jungen Frau gefällt die Altersstruktur der Ballbesucher: "Es gibt hier nicht so viele junge Leute, wie zum Beispiel am Jägerball. Der ist ja schon viel zu High-Society."
"Rechtsradikale wären mir hier noch nie aufgefallen"
Ihr Begleiter aus Oberösterreich will die Aufregung nicht verstehen: "Man bringt uns medial mit irgendwelchen Hooligans in Verbindung, aber das sind wir nicht. Rechtsradikale wären mir hier noch nie aufgefallen."
Für die Eröffnungspaare des Akademiker-Balls sind die Demonstrationen auch deshalb kein großes Thema, weil sie zwecks Generalprobe viel früher vor Ort eintreffen als die übrigen Gäste. Eine Tänzerin aus Wien weiß allerdings von einem Farbbeutel zu berichteten, der eine Mittänzerin vergangenes Jahr auf dem Weg zur Generalprobe auf den Kopf getroffen haben soll.
Manche Taxifahrer trauen sich nicht zur Hofburg
"Die hat dann natürlich nicht tanzen können. Das Zeug hat gestunken, als ob die Farbe mit Urin vermischt worden wäre", sagt sie. Dann berichtet sie von Demonstrantenfäusten, die durch halbgeöffnete Taxifenster schnellten. "Manche Taxifahrer trauen sich gar nicht mehr, Ballbesucher zur Hofburg zu bringen." Es sind Geschichten wie diese, die die Ballbesucher zusammenschweißen. Sie haben allerdings auch dazu geführt, dass Medienberichten zufolge weniger Menschen am Ball teilnehmen als früher.
Es ist inzwischen acht Uhr am Abend, vor dem Eingang zur Hofburg besprechen noch einige Burschenschafter das restliche Abendprogramm. "Gemma noch auf ein Bier in die Bude", sagt einer, bevor die junge Gruppe gemächlich wegspaziert. Heute, Freitag, werden sie sich vermutlich schnelleren Schrittes fortbewegen müssen.