Datenaffäre bringt Deutsche-Bahn-Chef in Bedrängnis. | Deutscher Jurist: "Überprüfung der Mitarbeiter war rechtlich gedeckt." | Wien.Nach längerem Zögern hat er in einem Brief an die Mitarbeiter Bedauern ausgedrückt, Fehler eingeräumt. Die Gemüter von Gewerkschaften, Politikern und Belegschaft konnte Hartmut Mehdorn, Chef der Deutschen Bahn (DB), damit nicht beruhigen.
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Vergangene Woche war bekannt geworden, dass die Bahn in den Jahren 2002 und 2003 die Daten von 173.000 Mitarbeitern mit Firmendaten von 80.000 Zulieferern abgeglichen hatte. Laut Bahn sollten dadurch Verbindungen zwischen Auftraggebern und Kunden und so mögliche Korruptionsfälle aufgedeckt werden. Für Unmut sorgt, dass weder Datenschutzbeauftragte noch Mitarbeiter-Vertretungen informiert waren. Zuletzt wurde eine weitere Massenprüfung aus dem Jahr 2005 bekannt, was den Druck auf den Konzernchef weiter erhöht.
Die deutsche Bundesregierung wies Medienberichte über eine bevorstehende Ablöse Mehdorns vorerst zurück. Es gebe eine gründliche Untersuchung, erst danach würden weitere Schritte in der Koalition besprochen, heißt es aus dem Verkehrsministerium von Wolfgang Tiefensee (SPD).
Der Bahn-Chef verspricht für kommende Woche eine umfassende Aufklärung in der Datenaffäre und beugt sich damit dem Druck aus Politik und Aufsichtsrat. Noch vor ein paar Tagen rechtfertigte sich Mehdorn, sein Verhalten sei "keine Salamitaktik, sondern entspricht dem natürlichen Gang sehr schwieriger Ermittlungen."
Diese Ansicht teilt auch der Stuttgarter Arbeitsrechtsexperte Jobst-Hubertus Bauer: "Das Bundesdatenschutzgesetz erlaubt die Nutzung von vorhandenen personenbezogenen Daten."
"Affäre hochgespielt"
Die Kontonummern oder Adressen seien dem Unternehmen ohnehin bekannt gewesen und wurden rechtmäßig zum Screenig verwendet, so Bauer zur "Wiener Zeitung". Und: Wenn der Betriebsrat nicht zustimmt, sei das lediglich ein Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht. "Wo ist hier der Skandal?", fragt der Jurist. Bei jedem Konzern mit hohem Auftragsvolumen bestehe Korruptionsverdacht. Es brauche keinen konkreten Anlassfall.
"Während man im Nachhinein Siemens vorwarf, zu wenig für die Korruptions-Aufdeckung getan zu haben, beklagt sich jetzt jeder über Präventivmaßnahmen." Der DB-Fall werde als Affäre hochgespielt, urteilt Bauer. Ein Vergleich mit den jüngsten Datenskandalen bei Lidl oder der Deutschen Telekom sei keineswegs gerechtfertigt.
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