Zum Hauptinhalt springen

Wandelbare Demokratie

Von Martyna Czarnowska

Kommentare

Wie gefestigt ist der Rechtsstaat? Diese Frage lässt die Vorgangsweise einiger Regierungen in Ost- und Mitteleuropa auftauchen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Osteuropäer als begeisterte EU-Mitglieder? Das mag für manchen Westeuropäer weit hergeholt wirken. Immerhin mussten Polen, die Slowakei oder Tschechien den Vorwurf mangelnder Solidarität einstecken, als es um die Verteilung von Flüchtlingen in der Union ging. Ungarns Regierung wurde wiederholt wegen autoritärer Tendenzen gerügt. Auch das Kabinett in Warschau muss nun Brüssel Fragen zum Stand der Rechtsstaatlichkeit in Polen beantworten. Weiter südlich stehen zwei jüngere Mitgliedstaaten noch immer unter EU-Aufsicht: In Rumänien und Bulgarien wird weiterhin die Umsetzung von Reformen im Justizbereich oder bei der Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität überprüft. Und in den Berichten der EU-Kommission über Bulgarien ist alles andere als von großen Fortschritten die Rede. Negativer als das Bild der Bulgaren selbst kann jenes der Brüsseler Behörde übrigens kaum sein: 2014 sahen laut einer Eurobarometer-Untersuchung gar 96 Prozent der Befragten Mängel im Justizwesen als wesentliches Problem für das Land an.

Das Vertrauen in die EU und ihre Institutionen ist da weit höher. Die Unterstützung für die EU-Mitgliedschaft liegt in den osteuropäischen Staaten über dem westeuropäischen Schnitt. Auch in Polen, wo die konservative Regierung den Schutz der nationalen Interessen in den Fokus ihrer EU-Politik rücken möchte, sind die Anhänger der Union in der Mehrheit. Mehr als zwei Drittel der Polen bewerten die EU-Mitgliedschaft als positiv.

Gleichzeitig finden aber rund 40 Prozent der Polen, dass Entscheidungen der Gemeinschaft, die das Land ebenfalls betreffen, zunächst einmal im Land selbst gefällt werden sollten. Denn als größten Nachteil der EU-Mitgliedschaft sehen sie das Auferlegen von Gesetzen durch die Union an, wie aus einer Umfrage für die Zeitung "Rzeczpospolita" hervorgeht. Offene Grenzen sowie finanzielle Förderungen werden umgekehrt als größte Vorteile gewertet.

Als ordnungsstiftende Kraft wird die EU also nicht uneingeschränkt begrüßt - mag das auch während der Beitrittsverhandlungen in etlichen Ländern noch anders gewesen sein. So taucht dann bald die Frage auf, ob der Transformations- und Demokratisierungsprozess umkehrbar ist.

Gestellt wird sie etwa von Anton Schechowzow in einer Studie für die in London ansässige Denkfabrik Legatum Institute. Der ukrainische Politologe zeigt ein paar Ähnlichkeiten in der Vorgangsweise der aktuellen Regierungen in einigen ost- und mitteleuropäischen EU-Mitgliedstaaten auf, bei allen Unterschieden in den Entwicklungen der Länder. So hätte es mit der Übernahme der Regierungsmacht durch weniger liberale Kräfte massive Eingriffe in die Verfassungsgerichte gegeben. Das war sowohl in Ungarn als auch in Rumänien und Polen der Fall. Autoritäre Züge nahmen die Kabinette auch in der Slowakei und Tschechien an. Staatliche Medien sollten ebenfalls verstärkt unter Kontrolle gebracht werden. Das hat es allerdings auch in Italien unter Premier Silvio Berlusconi gegeben.

Ein starker Rechtsstaat dürfe daher nicht als etwas Unveränderliches angesehen werden, meint Schechowzow. Vielmehr seien demokratische Strukturen immer wieder zu festigen. Das gilt aber nicht nur für den Osten Europas.