Die neue Justizministerin Beatrix Karl hat eine dringende Aufgabe: ins Lot zu bringen, was ihre Vorgängerin Bandion-Ortner mit "Transparenz" gemeint hat.
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Man wird mit der großen Mehrheit der Österreicher rasch in der Überzeugung übereinstimmen, dass Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser über eine geradezu geniale handwerkliche Qualität verfügt, die Maschen des Gesetzes so zu legen, dass er ohne zu stolpern hineinpasst. Die nicht ganz so professionelle Seite dieser Geschichte bleibt bis auf weiteres Monopol des Justizapparates. Egal ob sich in ihm etwas bewegt oder nicht, das Ergebnis im Fall Grasser ist immer dasselbe - nämlich keines.
Dabei hat der Mai geradezu bühnenreif geendet. Razzien in zehn Unterkünften, Bleiben und Firmenanschriften Grassers. Das war ein heftiger Anlauf der Staatsanwälte. Ihm ging die Einladung der Medien voran, dabei zu sein, wenn aufgekocht wird. Die einstige Ex-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner warf gewissermaßen ihre Schatten hinter sich her. Sie war es ja gewesen, die öffentlich an der Bereitschaft der Staatsanwaltschaften gezweifelt hatte, in politisch heiklen Ermittlungsverfahren effizient und zügig zu ermitteln. Transparenz solle die Strafverfahren veredeln.
Vielleicht sollten im Zuge der Transparenz künftig auch Bürger eingeladen werden, am Großreinemachen in den Wohnungen eines prominenten Verdächtigen, gegen den die fortwährende Unschuldsvermutung gilt, teilzunehmen? Welch seltsamer Irrweg. Was sich am 26. Mai abspielte, war eine gut gemeinte Sondereinlage. Denn die Leistung der Fahnder kann doch nicht darin bestehen, die Medien zu befriedigen, sondern Ergebnisse zu Stande zu bringen. Das entspräche dem nüchternen juristischen Selbstbild.
Wo eine kriminelle Handlung vermutet wird, hat erstens die Staatsanwaltschaft mit den ihr zu Verfügung stehenden Mitteln entweder den Verdacht reif für eine Anklage zu machen oder das Verfahren zu beenden. Mehr wird nicht erwartet, die große Bühne ist dafür nicht vorgesehen, selbst wenn die Medien ihre Freude daran hätten.
Und zweitens wäre im Fall einer Anklage das Gericht zuständig, das entweder eine Verurteilung oder einen Freispruch fällt. Medien- und Volksgerichtsbarkeit entsprechen nicht dem österreichischen Rechtssystem. Das Gerichtsverfahren hat öffentlich zu sein, richtig. Aber die Öffentlichkeit auf den Weg der Spurensuche mitzunehmen, wenn nichts erwiesen ist, ist ein billiger Scherz. Er würde nicht einmal den vermutlichen Zweck der Veranstalter erreichen, dass sich die Öffentlichkeit vom "Fortschritt" der Ermittlungen überzeugen lässt. Somit hatte Grasser die willkommene Gelegenheit, in einer Pressekonferenz "wie ein Löwe zu kämpfen" - für sich und seine Unschuldsbehauptung.
Ihm steht wie jedem Staatsbürger und somit auch jedem Prominenten das Recht zu, fair behandelt zu werden. Geschieht das nicht, sind die Folgen nicht nur für ihn, sondern auch für die Justiz bedenklich. Wenn es wirklich einmal zu einer Anklage kommen sollte, woran nach so vielen Jahren der Mühe fast niemand mehr glaubt, dann hätte die Verteidigung eine Menge Gratismaterial zur Hand, um ihren Standpunkt untermauern zu können, dass das Verfahren von Anfang an aus dem Ruder gelaufen, also "politisch" gewesen sei.
Justizministerin Beatrix Karl wird Mühe haben, das Transparenzgeschehen zu fokussieren. Es geht um Beweismaterial und nicht um Fotos von Aktenkartons.
Der Autor ist Sprecher der Initiative Qualität im Journalismus und war zuvor Journalist bei "Wirtschaftsblatt", "Presse" und "Salzburger Nachrichten".