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Wann ist es ein Wohlstand?

Von Konstanze Walther

Politik

BIP stützt sich nur auf Produktion. | EU: Alternative Messung muss her. | Wien. Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko wird das US-amerikanische Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2010 erhöhen. Denn die Aufräumarbeiten kosten Geld und beschäftigen Leute. Gut für die USA also, zumindest für künftige volkswirtschaftliche Vergleiche: Denn die Höhe des BIP gilt seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als zentraler Indikator für den wirtschaftlichen Wohlstand eines Landes.


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Gerechnet wird, welche Waren und Dienstleistungen im Laufe eines Jahres gegen Geld innerhalb der Landesgrenzen erbracht werden. Wächst das BIP, jubeln die Ökonomen. Geht es in der Rezession zurück, ist Katzenjammer angesagt. Ganz gleich, wie sinnvoll die Produktion ist - damit wird auch das Auf- und Zuschaufeln eines Erdlochs erfasst, die Pflege von Verwandten oder der Karenzurlaub schlagen sich hingegen neutral bis negativ auf das BIP aus - kein Mehr an Produktion, kein Wachstum, kein Wohlstand.

"Wer glaubt, dass unendliches Wachstum in einer endlichen Welt möglich ist, ist entweder ein Irrer oder ein Ökonom", zitiert die SPÖ-Umweltsprecherin Petra Bayr den Wirtschaftswissenschafter Kenneth Boulding bei der Einleitung ihres Statements zu der SPÖ-Enquete-Veranstaltung "Alternativen und Erweiterungsmöglichkeiten zum BIP". Die Referate am Montag werden in das SPÖ-Positionspapier "Österreich 2020" einfließen.

Arbeit an neuem Index

Damit schwenkt die SPÖ auf einen Weg ein, der immer größeren Anklang findet. "Es ist schon soweit gedrungen, dass sich sogar die Spitze der EU, angetrieben von Frankreich, damit beschäftigt", erklärt der Ökonom Stefan Schleicher, der die Kommission vergangenes Jahr bei der Erstellung eines Fortschrittsbarometers beraten hat, das auch Umwelt- und Lebensqualität in der Bemessung des Wohlstandes mit einfließen lässt. Die Ergebnisse wurden im Herbst präsentiert, das Pilotprojekt sollte 2010 starten - bisher ist es aber in der Schublade.

Dass die EU vor allem deswegen neue Wege der Wohlstandsbemessung sucht, weil man bei der traditionellen Wachstums-Bemessung schlechter abschneidet als etwa die USA oder China, hält Schleicher zwar für eine valide Interpretation, "aber die EU-Bemühungen haben schon einen realen Kern. Ich glaube etwa nicht, dass das Leben in den USA um so viel besser ist, als es das BIP vermuten lässt."

Schleicher hebt vor allem die Gesundheitsdienstleistungen in den USA und Europa hervor. "Die gleiche Dienstleistung, die gleiche Operation schlägt sich in den USA ungleich höher auf das BIP nieder. Und zwar nur, weil die Risiken in den USA wegen der Klagsfreudigkeit so hoch bemessen werden. Da fließt viel Geld in die Versicherung der Krankenhäuser."

Auch SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter nimmt das US-Gesundheitssystem als Beispiel: "Dass diese Behandlungen nur für jene US-Patienten sind, die sie sich leisten können, wird auch nicht im BIP abgebildet."