Ein weiter Weg vom Abwehrkampf zu einer gelebten Zweisprachigkeit. | Die Debatte um zweisprachige Ortstafeln wird in Kärnten und im Rest Österreichs völlig unterschiedlich geführt. Landeshauptmann Jörg Haider kann im südlichsten Bundesland auf eine lange Tradition der Emotionen zurückgreifen.
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Begonnen hat alles mit dem Kärntner Abwehrkampf 1918/19 gegen die Ansprüche der Jugoslawen nach dem Waffenstillstand auf Gebiete Kärntens (südliches und südöstliches Grenzgebiet einschließlich Klagenfurt und Villach). Die schließlich von den Alliierten erzwungene Volksabstimmung am 10. November 1920 beendete die Besitzansprüche Sloweniens.
Klarzustellen ist, dass die Volksabstimmung nicht über einen Sprachgebrauch oder eine Sprachvorherrschaft entschieden hat, sondern über die staatliche Zugehörigkeit eines Gebietes, das auf ein jahrhundertelanges Zusammenleben beider Sprachgemeinschaften zurückblicken konnte. Dennoch wurde das Ergebnis von vielen als Votum für ein deutsches Kärnten gedeutet. Die Auseinandersetzungen während der Nazi-Diktatur, in der viele Kärntner Slowenen einen Partisanenkampf gegen das Hitler-Regime geführt hatten, taten ein Übriges.
1945 endete zwar der Zweite Weltkrieg, nicht aber die kriegerische Auseinandersetzung zwischen Kärnten und Slowenien. Diesmal beanspruchte Tito-Jugoslawien Gebiete. Die Briten klärten die Gebietsansprüche zugunsten Österreichs. Es folgten der Staatsvertrag 1955 mit der Verpflichtung zum Schutz von Minderheiten und das Ortstafelgesetz von 1972, das für 205 Kärntner Ortschaften Zweisprachigkeit festlegte. Die Tafeln wurden zwar aufgestellt, aber der Ortstafelsturm zwang die Regierung Kreisky zum Rückzug: Die Aufstellung von Tafeln wurde gestoppt.
Ein Beispiel aus den 1980ern soll das Klima in Kärnten veranschaulichen: Eine langjährige Schulfreundin eröffnete ihrer Kollegin anlässlich der Maturafeier unter vorgehaltener Hand: "Ich kann Slowenisch, aber verrate es keinem." Durch dieses Klima ist zweifellos auch die Zahl jener, die sich offen zur slowenischen Volksgruppe bekennen, immer stärker zurückgegangen.
Damit sind wir auf Bundesebene angelangt. Im Volksgruppengesetz 1976 wurden Schutzmaßnahmen für Minderheiten sowie für die zweisprachige Topografie die 25-Prozent-Klausel (Slowenenanteil) beschlossen. Die Topografieverordnung des Bundes von 1977 sieht vor, dass 91 Orte zweisprachig sein sollen. Die Tafeln wurden aufgestellt, ein "Sturm" blieb aus.
Genau diese 25 Prozent erachtete das Verfassungsgericht in seinem Erkenntnis vom Dezember 2001 aber als zu hoch, gerade wegen der Zurückdrängung der Minderheit.
Während man im Rest Österreichs darin kein Problem sieht - sollen eben weitere Orte zweisprachig ausgeschildert werden -, sind offenbar viele Kärntner emotional noch nicht so weit, Zweisprachigkeit auch bewusst zu leben.
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