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Wann kommt der Pisa-Elterntest?

Von Herbert Kohlmaier

Gastkommentare

Einer derzeitigen Schwäche unserer Politik entsprechend, könnte der Schock, den die Ergebnisse des Pisa-Tests auslösten, wiederum nur in Symptomkuren und Parteienstreit verebben. Um in die unbedingt zu erforschenden Tiefendimensionen des Problems vorzudringen, läge allerdings nichts näher, als sich im Beziehungsdreieck Kind-Elternhaus-Schule einmal ganz dem Bereich zuzuwenden, wo für unsere Kleinen das Lernen beginnt.


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Man interviewe also tausende Erziehende mit einer Fragenbatterie, die etwa folgende Punkte umfassen könnte: Lesen Sie Ihren Kindern Geschichten vor? Gehen Sie auf ihre Fragen bereitwillig mit Erklärungen ein? Wie viele Stunden lassen Sie die Kinder vor dem Fernsehgerät sitzen und wie viel beschäftigen Sie sich mit ihnen? Singen Sie mit ihren Kleinen Lieder und memorieren Sie Reime mit ihnen? Schenken Sie ihnen Baukasten zur Förderung konstruktiver Fähigkeiten oder Computerspiele, um Geschicklichkeit im Killen virtueller Feinde zu erlangen? Geben Sie ihnen Bücher zur Hand und reden Sie mit ihnen darüber?

Die Auswertung eines solchen Tests wäre wohl sehr nutzbringend. Sie würde zeigen, dass die Misere an den Schulen nur Ausdruck einer viel umfassenderen negativen Entwicklung ist. Es geht um Werte, deren Verwirklichung Ziel unserer Gesellschaft sind. Welche Bedeutung bleibt da dem umfassenden Bereich Bildung? Nochmals zu einer Testfrage: Wann haben Sie das letzte Mal gehört, dass ein Mensch bei Beschreibung seiner Qualitäten als "gebildet" oder gar "hoch gebildet" bezeichnet wurde?

Immer wieder wird betont, ein prekäres soziales Umfeld der Heranwachsenden drücke deren Fähigkeiten nieder. Das stimmt natürlich, aber man sollte hier eher Reichtum oder Armut an Anregungen als an materiellen Gütern im Auge haben! War es nicht eines der großen Verdienste der Arbeiterbewegung, dass sie den von der Gesellschaft Benachteiligten Bildungsmöglichkeiten und auch Chancen anbot, musische und sportliche Fähigkeiten zu entwickeln? Warum findet die gewaltige materielle Wohlstandssteigerung der vergangenen Jahrzehnte keine Entsprechung in den Dimensionen des Geistes?

Nein, nicht nur Geld, Organisation oder Verwaltungsmaßnahmen können die Dinge zum Besseren wandeln. Kinder und Schulen sind Produkt einer Sozietät, die nicht nur die Regierung hat, die sie verdient, sondern auch die Bildungsstätten. Gibt es da nicht auch den Auftrag zur Volksbildung, was Elternbildung einschließen müsste? Alle reden vom Klimawandel. Wäre nicht genauso wichtig, jenes geistige Klima zu erforschen, das die Heranwachsenden vorfinden? Eine Spaßgesellschaft "schön und reich", wie sie uns Werbung, Medien und Meinungsbildner vorgaukeln, kann kein Ziel sein. Der Nachholbedarf an breitem Kulturbewusstsein ist gewaltig - hier müsste angesetzt werden!

Herbert Kohlmaier war ÖVP-Politiker und Volksanwalt.